Story: "Hydra" ist ein kleines Pub mit einer heimischen Atmosphäre, welches das Mädchen Rina (Miu) führt. Sie hat das Pub von ihrem Vater geerbt, der vor drei Jahren verschwunden ist, ihr aber vorher all sein Hab und Gut vermacht hat. Überbracht hat die Schlüssel zum Pub der stille Takashi (Masanori Mimoto), der als Freund ihres Vaters in ihr Leben getreten ist. Jetzt arbeitet er dort in der Küche. Er besitzt ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sodass er als Koch das eine oder andere erstaunliche Rezept umsetzen kann. Außerdem scheint er in den Gesichtern der Menschen lesen zu können. Über seine Vergangenheit weiß niemand etwas und der Kellner Kenta (Tasuku Nagase), der sich für Rina interessiert, sieht sich immer wieder den bösen Blicken Takashis ausgesetzt. Nachdem ein Polizist an einem anderen Ort auf einer Toilette getötet wurde und einer von seinen Untergebenen ebenfalls Ziel der Killer wird, holt Takashis Vergangenheit ihn langsam ein. Denn der Untergebene des Getöteten besucht sehr oft "Hydra" und Takashi hat schon einige Male beobachtet, wie er K.O.-Tropfen in die Getränke seiner Dates gegeben hat. Da Takashi keinen Ärger will, hat er sich nie darum gekümmert, aber als der Mann Rina als neues Ziel anvisiert, kann er nicht mehr tatenlos zusehen. Kurz darauf wird Takashi von alten Bekannten aufgesucht, denen er klarmachen muss, dass er nun ein neues Leben führt und auf Rina aufpasst. Etwas, das er ihrem Vater versprochen hat, als er im Sterben lag. Aber seinem Leben voller Gewalt kann Takashi schließlich nicht entkommen...
Kritik: "Hydra" ist einer jener Filme, die komplett an einem vorbeigehen, bis man irgendwo einen Filmausschnitt sieht und sich fragt, warum dieser Actionstreifen nicht auf dem eigenen Radar war. Dann wird einem klar, dass es sich eigentlich um einen Low-Budget-Film handelt, der in erster Linie nicht unbedingt als Actionfilm bezeichnet werden kann. Ist "Hydra" jetzt aber ein von vielen übersehenes Juwel oder ein von einer kleinen Gruppe gehyptes Low-Budget-Filmchen? Hier wird es schwierig, denn tendenziell ist ersteres der Fall und man kann somit auf jeden Fall eine Empfehlung aussprechen. Gleichzeitig wird der Film aber wie gesagt in manchen Reihen auch etwas zu sehr in den Himmel gelobt. Denn abgesehen von der Art, wie die Action auf den Bildschirm gebracht wird, ist der Rest typische Genrekost. Der Film wird für sein Drehbuch sicherlich keine Preise bekommen, aber die Art, wie die altbekannte Geschichte erzählt wird, ist interessant und mitnehmend.
Ein gutes Beispiel ist der Anfang. Ein Polizist wird auf der Toilette getötet und die Leiche in einem Koffer durch die von Neonlichtern erfüllte Stadt gefahren, während der Anspann läuft und wir einen herausragenden Synthi-Sound als Untermalung im Hintergrund bekommen. Es passiert nicht viel, aber der Regisseur vermag es, seine Bilder sprechen zu lassen. Dann lernen wir die Bar "Hydra" kennen, welche die eigentliche Theaterbühne darstellt. Wie es sich für einen Indie-Streifen gehört, sollte auch die Lokalität auf einen Raum als Zentrum beschränkt sein. Das funktioniert ebenfalls gut, weil wir die Charaktere besser kennenlernen und die Beziehungen unter ihnen klarer werden. Mit der Zeit finden wir dann auch mehr über den stillen Protagonisten heraus und warum er Rina beschützt. Das alles geht natürlich auch mit ein wenig Gefahr einher, die zunächst in Form eines Vergewaltigers auftritt, dann aber größere Ausmaße annimmt. Verbindungen, die wenig überzeugend sind, stören dabei interessanterweise nicht so sehr.
Man ist bereit, Regisseur Kensuke Sonomura in seinem Debütwerk viel zu verzeihen, weil offensichtlich ist, dass sein Budget äußerst begrenzt war, er aber in der Lage ist, uns dies 90 Prozent der Zeit zu verheimlichen. Die Welt, die er kreiert, hat etwas Intimes an sich, wir sind einer der Gäste der Bar und blicken in das Leben verschiedener Individuen, während sich außerhalb der Bar ein Sturm anbahnt. Damit steigt auch auf subtile Weise die Spannung. Es dürfte am meisten überraschen, dass Kensuke Sonomura zuvor als Action-Choreograph tätig war, unter anderem auch für John Woos "Manhunt" (und hier war die Action auch der einzig positive Aspekt des Films), denn "Hydra" kommt erstaunlich leise daher. Es ist eher ein Drama um einen ehemaligen Killer, der sich zur Ruhe setzen und seine "Ziehtochter" beschützen will, wie wir es schon etliche Male gesehen eben ("Sunflower" aus Südkorea fällt da neben vielen anderen ein). Doch der Hintergrund des Regisseurs wird sofort offenbar, wenn es zur ersten Actionszene kommt.
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass "Hydra" Actionfans tatsächlich sogar enttäuschen mag, weil er kaum Action beinhaltet. Aber wenn sie dann über den Bildschirm wirbelt, dann lässt sie einem den Atem stocken. Und "wirbelt" ist hier wörtlich gemeint. Die Action ist unglaublich schnell und den Bewegungen ist manchmal kaum mit den Augen zu folgen. Sie wirken dank einiger hektischer Momente gleichzeitig authentisch und wiederum perfekt durchchoreographiert. Ein besonderes Lob verdient dabei auch das Sounddesign. Normalerweise bin ich ein Fan von Nachvertonungen in Form satter Schläge und Würfe, doch hier hat man das alles ausgespart. Es gibt kaum ein Geräusch, sodass wir sogar den Stoff wahrnehmen können, wie er durch die Luft flattert, Fäuste tatsächlich auf Körper treffen, während die Kämpfer hochkonzentriert keinen einzigen Laut von sich geben. Die Auseinandersetzungen werden dabei auch nicht von adrenalinfördernder Musik begleitet. Man verlässt sich schlichtweg auf die Essenz.
Diese Selbstsicherheit zahlt sich aus. Abgesehen von der "Rurouni Kenshin"-Reihe handelt es sich hier wohl um die beste Kampfchoreographie, die man aus Japan in diesem Jahrtausend gesehen hat. Spätestens als dann auch noch taktischer Bodenkampf dazukommt, beweist der Regisseur, dass er ein Meister seines Fachs ist. Hauptdarsteller Masanori Mimoto ("Re:Born") zeigt überdies enormes Können und kann auch in den ruhigeren Szenen mit seiner Präsenz überzeugen. Genau genommen beeindruckt die Action umso mehr, weil sie im Film eben sehr spärlich eingesetzt wird. Mit seinen 75 Minuten ist "Hydra" ein kurzes Vergnügen und am Ende bleiben auch ein paar Fragen offen, leider auf die Art, dass man sich fragt, ob eigentlich nicht noch mehr aus dem Film hätte gemacht werden sollen, bis das Geld ausging. Aber neben der Action überzeugt Regisseur Kensuke Sonomura vor allem mit einer dichten Atmosphäre. Man fühlt sich in die eigentlich abgegriffene Geschichte hineingezogen, wird durch einen schönen Soundtrack und sympathische Charaktere durch den Film getragen und schließlich mit herausragender Action belohnt.