Story: Yip Wing-shun (Carlos Chan) ist Versicherungsvertreter und liefert stets gute Arbeit ab. Er vermag es, selbst mit schwierigem Klientel zurechtzukommen. Als er von dem geistig behinderten Chu Chung-tak (Anthony Wong) zu sich nach Hause geholt wird, um eine weitere Versicherung abzuschließen, findet Yip den Sohn Chus erhängt vor. Die Polizei ist sich schnell sicher, dass es sich um einen Selbstmord handelt, aber für Yip ist klar, dass mehr dahinterstecken muss. Chus Reaktion auf die Leiche seines Stiefsohns war viel zu emotionslos. Die Mutter des toten Kinds, Shum Chi-ling (Karena Lam), ist am Boden zerstört, versichert aber Yip, der ihr gegenüber seine Befürchtungen äußert, dass ihr Ehemann niemandem etwas zuleide tun kann. Bald taucht Chu aber fast täglich in der Versicherungsfirma auf und fordert das Versicherungsgeld für seinen toten Sohn ein. Vor einem Jahr hatte die Familie nämlich einen Vertrag mit der Firma abgeschlossen. Dass Chu das Geld zum Überleben braucht und der Versicherungsvertreter auf eigene Faust herausfindet, dass Chu wohl Spielschulden hat, erhärtet nur weiter Yips Verdacht, dass das Kind von seinem Stiefvater getötet wurde. Außerdem bringt dieser Fall ein Trauma aus Yips Kindheit wieder ans Tageslicht, sodass sich seine Freundin Wai-yee (Yee Tong) bald große Sorgen um Yips psychischen Zustand macht. Yip verbeißt sich in den Fall und will unbedingt die Wahrheit ans Licht bringen. Doch diese erweist sich als ziemlich unangenehm...
Kritik: Das Gute an einem schlechten Gedächtnis, mit dem man sich vielleicht zwei bis drei Dinge merken kann, die in der Woche vorfallen, ist die Möglichkeit, eine zweite Version einer Romanverfilmung zu sehen, ohne sich an die erste erinnern zu können. Zum Glück dient diese Internetseite aber auch als persönliches Filmarchiv, sodass ich mich davon überzeugen konnte, tatsächlich bereits die koreanische Verfilmung "Black House" des japanischen Romans von Yusuke Kishi gesehen zu haben. Das Buch wurde auch bereits 1999 in Japan verfilmt, doch die Sichtung dieser Version steht noch aus. Was über die Hong Kong Version von Steve Yuen gesagt werden kann, ist, dass diese sehr atmosphärisch daherkommt und von zwei hervorragenden Darstellern lebt. Der Film startet als Krimi mit Thrilleraspekten, wird aber ab der Hälfte zu einem Psychothriller, der einige Horrorelemente bereithält.
Lobende Worte hat sich der Regisseur dafür verdient, dass er die Geschichte auf die Charaktere ausgerichtet hat und mit ihrer Psyche arbeitet. Sicherlich hätte hier noch mehr herausgeholt werden können und gerade der Selbstmord von Yips Bruder wirkt als Trauma im Film etwas unterrepräsentiert, als dass er uns davon überzeugen könnte, dass er einen großen Einfluss auf Yips Entscheidungen hat. Aber man hat schon weitaus schlechtere Versuche gesehen, dem Zuschauer zu verkaufen, dass der Protagonist langsam nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden kann. Sofern ich mich erinnern kann, ist dieser Aspekt der Geschichte aber in der koreanischen Verfilmung etwas besser gelöst. Das mag auch daran liegen, dass Hauptdarsteller Carlos Chan zwar nette Arbeit abliefert und uns auch als sympathischer, jungenhafter Kerl für sich gewinnen kann, davon abgesehen aber etwas Tiefe vermissen lässt. Zumal er von einigen der Nebendarsteller in den Schatten gestellt wird.
Keine Chance hat er selbstverständlich gegen Anthony Wong ("Gangster Payday"), der in letzter Zeit irgendwie selten in Filmen aufgetaucht ist, die mich interessieren. Und auch in jenen konnte er nicht mehr ganz an das qualitative Niveau herankommen, das man von seiner Schauspielkunst kennt. Diesmal ist er jedoch wieder in Höchstform und kann als verängstigtes Kind im Körper eines Mannes verunsichern, der vielleicht tatsächlich ein überaus intelligenter Mörder ist. Doch die Überraschung des Films verbirgt sich in einer anderen Darstellerin: Karena Lam. Die Geschichte des Thrillers hat ziemlich schnell etabliert, dass die Ehefrau auch nicht wirklich ganz unschuldig sein kann. Noch dazu kommen Gespräche über die Natur von Verbrechern und Mördern, die allesamt in Shums Richtung als zumindest Komplizin zeigen. Und was Karena Lam ("Integrity") daraus macht, ist wahrlich beeindruckend. Mit jeder Minute, die sie auf dem Bildschirm hat, dominiert sie den Film mehr und mehr.
Eine Chance wie diese hatte Lam bisher noch nicht und sie holt alles heraus. Ohne allzu viel zu verraten, kann zumindest gesagt werden, dass sie gegen Ende den eigentlichen Fokus des Films bekommt. Steve Yuen versucht zwar einige Charaktere und Symbole rätselhaft zu halten, aber genau genommen überrascht die Wendung kaum, zumal sie wie im Original eben auch sehr bald präsentiert wird. "Legally Declared Dead" versucht einen zwar ab und an aufs Glatteis zu führen, aber es gelingt nicht. Das meiste ist einfach schon viel zu früh offensichtlich und so muss man sich ebenfalls über Yips Verbissenheit und seinen Tunnelblick wundern, auch wenn dies vielleicht typische Charakterzüge von ihm sind. Mit seinen dunklen Bildern und seinen steten Entwicklungen, manche von ihnen allerdings etwas unglaubwürdig, sodass der Streifen auch ein paar Logiklöcher bereithält, kreiert Steve Yuen einen äußerst soliden und packenden Thriller, der mit seiner dichten Atmosphäre auch an einen film noir erinnern kann.
Abzüge gibt es aber für das Finale, das den Eindruck erweckt, als hätte man es unbedingt nötig gehabt, einen Showdown in die Geschichte zu schreiben. Damit biegt der Film etwas ins Horrorgenre ab - was auch vorher schon mit ein paar Träumen und der generellen Atmosphäre geschehen ist, nur eben subtiler und besser - und gerät ins Schleudern, zumal sich unser Held eher nur durch Zufall gegen jemanden, der körperlich behindert ist, zur Wehr setzen kann. Außerdem bekommt man häufig den Eindruck, dass der Film durchaus ziemlich brutal hätte werden können. Es mangelt auch nicht an ein paar Folterszenen bzw. Verstümmelungen, aber von diesen bekommt man letztlich bestenfalls das Resultat zu sehen. Für manche mag das vielleicht auch Grund zur Enttäuschung sein. Dennoch muss man festhalten, dass die Welt und die Menschen alle ihre Abgründe spendiert bekommen, die den Film so atmosphärisch und auf düstere Weise unterhaltsam machen. Da sieht man dann auch über ein paar erzählerische Schnitzer hinweg. Es bleibt also einer der vielleicht besten Psychothriller aus Hong Kong, die wir in den letzten Jahren bekommen haben. Auch wenn die Konkurrenz eben nicht sehr groß ist...