Story: Hyeon-jeong (Choi Ji-woo) lebt alleine und erfährt in den Nachrichten, dass in ihrer Nachbarschaft ein Mädchen getötet wurde. Da klingelt es an ihrer Tür. Die Rauchmelder in ihrer Wohnung sollen ausgetauscht werden, aber es gab keine Benachrichtigung, deshalb ist sie skeptisch. Sie lässt den Techniker (Lee Mun-sik) dennoch in die Wohnung, der sich sehr bald äußerst eigenartig verhält.
Hyeon-soo (Lee Yoo-mi) geht auf ein Blinddate, nachdem sie in ihrer App ein fast perfektes "Match" bekommen hat. Allerdings treibt sich auf der App auch ein Killer herum. Hoon (Choi Min-ho) erfährt von seinem Freund derweil von der App und dieser überzeugt ihn schließlich, an das Schicksal zu glauben, das sich in der Blutgruppe und den Sternzeichen verbergen soll, sodass er auf eine Schnitzeljagd geht, als er in einem Getränkeautomaten einen Liebesbrief mit einer Wegbeschreibung findet.
Gi-jin (Pyo Ji-hoon) ist Hals über Kopf in seine Nachbarin verliebt, die als Flugbegleiterin arbeitet. Er traut sich nicht, ihr seine Liebe zu gestehen, aber verfolgt sie immer wieder, wenn sie die Wohnung verlässt, bis er sich eines Tages sogar noch mehr traut ...
Yeon-jin (Ha Da-in) arbeitet in einem 24-Stunden-Laden und muss sich mit den unmöglichsten Kunden herumschlagen. Sie verflucht ihr Leben und tröstet sich damit, dass sie jemandem in einem Forum Tipps gibt, wie man eine Leiche verschwinden lassen kann. Bis sie daran zweifelt, dass der Poster nur Spaß macht ...
Review: Die anfänglichen und sich auch später durch den Film ziehenden Nachrichten, welche immer wieder im Hintergrund zu hören sind, geben uns bereits einen Eindruck davon, dass es sich hier nicht um einen schlichten Horrorkrimi handelt, sondern dass die Probleme des modernen Stadtlebens aufgegriffen und kritisch betrachtet werden sollen. Die Kritik kann dabei zuweilen ganz schön zynische Züge annehmen und dieser Ton ist es auch, der "New Normal" zu einem besonderen Erlebnis macht. Mord und Totschlag, Entführungen, Organhandel, überall lauert das Böse. Der Film ist dabei in Kapitel eingeteilt, bei denen es sich eigentlich um sechs Episoden handelt, die mehr oder weniger für sich alleine genommen werden können, auch wenn es stets Überschneidungen gibt und die Thematik alles letztlich zusammenhalten kann. Die Ereignisse finden an vier Tagen statt, dabei wird aber fröhlich zwischen den Tagen herumgesprungen. Zwar wird bereits in der ersten Episode klar, dass der Regisseur gerne auch mal mit unseren Erwartungen spielt, schlussendlich hat man aber das Gefühl, als würde das Böse an jeder Ecke lauern und Seoul wäre genau genommen ein Ausschnitt der Hölle. Es ist leicht vorstellbar, dass die Nachrichtenmeldungen erschreckender Grausamkeiten, von denen es in Korea nicht wenige gibt, der Aufhänger für das Drehbuch dieses innovativen Horrorkrimis waren.
Nach den ersten paar Episoden stellt sich trotz anfänglicher Begeisterung allerdings Ernüchterung ein. Es scheint so, als könnte der Film mit seinen Episoden immer dem gleichen Muster folgen. Glücklicherweise erweist es sich, dass dem nicht so ist. Der Grad an Humor, der durch die einzelnen Episoden durchscheint, variiert auch leicht. Zudem sind die Charaktere ziemlich verschieden und manchmal lassen sie uns im Dunkeln darüber, wer hier eigentlich der Bösewicht ist. Gi-jin ist beispielsweise hoffnungslos in seine Nachbarin verliebt und was als "harmloses" Anhimmeln beginnt, entwickelt sich zu einem Stalking, bei dem sich der Junge immer mehr Ausreden einfallen lässt, um seine radikaleren Taten vor sich selbst zu rechtfertigen. Da jede Geschichte einen kleinen Twist hat, könnte man sich hier vorstellen, dass er schließlich zum Mörder oder anderweitig gewalttätig wird. Die Charaktere im Mittelpunkt sind alle ein wenig verdreht. Selbst der unschuldig wirkende Schuljunge in der zweiten Episode wird von seinen Mitschülern als Soziopath bezeichnet, weil er nicht versteht, wieso man uneigennützig anderen helfen sollte. Man lernt in "New Normal" sehr schnell, dass das vermeintliche Opfer vielleicht gar keines ist.
Regisseur Jeong Beom-shik dreht hier seinen ersten Film nach den Corona-Lockdowns und es scheint so, als hätte das Eingesperrtsein bei seinen Charakteren ernsthaften psychischen Schaden verursacht. Zumindest sind die Nachrichten in Korea (wenigstens gefühlt) voll von Meldungen, die man ob ihrer Grausamkeit und Willkür einfach nicht nachvollziehen kann. Regisseur Jeong erzählt jene typischen Schlagzeilen mit einer ordentlichen Portion Nihilimus und Zynismus, genau das Maß, bei dem man als Zuschauer entsetzt "Das kann doch nicht wahr sein" ruft und sich zugleich schmunzelnd an den Kopf greift. Seinen Standpunkt und die Linse, durch die er alles betrachtet, bekommen wir dann ganz eindeutig in einem Neon-Licht im Zimmer einer Protagonistin zu erkennen, auf dem "Fuck the World" mit einem erhobenen Mittelfinger abgebildet ist. Man mag nie wissen, was in "New World" als nächstes passiert, aber man kann sich sicher sein, dass es tragisch, grausam und wie gesagt irgendwie auch manchmal ein wenig witzig ist - wenn man denn nicht darüber weinen möchte. Als Duo mit seinem Bruder hat Jeong Beom-shik bereits den eher klassischen, aber technisch und visuell beeindruckenden Horrorfilm "Epitaph" gedreht, alleine hat er als letztes den found footage-Horrorfilm "Gonjiam: Haunted Asylum" auf die Leinwand gebracht. Er ist also kein Amateur in dem Genre.
Dankenswerterweise handelt es sich hier aber um einen Horrorfilm, der ohne die unnötigen Schreckmomente daherkommt, die schlicht in die Kategorie "billig" fallen würden. Da muss sich Jeong auch gar nicht bedienen, weil sein Horror schwelender ist und von den Charakteren und der Welt, die diese kreieren, ausgeht. Wie gesagt besitzt hier augenscheinlich jeder das Zeug dazu, zum Mörder zu werden. Selbst in einer äußerst romantischen Episode um eine Schnitzeljagd, an dessen Ende vermutlich die wahre Liebe steht, steht man unter Anspannung, da wir schon lange nicht mehr glauben, dass in der "Neuen Welt" des Regisseurs irgendetwas Herzerwärmendes oder Gutes passieren könnte. Der Horror funktioniert, weil er aus der Realität gegriffen ist und einem das Gefühl gibt, dass man niemals seine Deckung fallenlassen darf. Das geht dann auch so weit, dass man bei ein paar der Personen fast schon kein Mitleid mehr haben kann, da nicht nachzuvollziehen ist, wie man so naiv sein oder sich als Opfer regelrecht anbieten kann. Vielleicht mag das für den einen oder anderen Zuschauer etwas zu hart in die Magengrube treffen, aber wie erwähnt gibt es auch genügend Momente, die einen zum Lachen bringen können, und ein oft einsetzender fröhlicher Soundtrack steht nicht nur zum Kontrast dessen, was unweigerlich geschehen wird, sondern ist ein willkommenes Augenzwinkern.
Da wir ein paar Zeitsprünge vor und zurück haben, sind auch ein paar interessante Überschneidungen vorzufinden. Manche Personen, die wieder auftreten, sind nur ein kleines "Aha"-Erlebnis, andere sind etwas wichtiger für die Geschichte. Den Abschluss macht eine Episode um eine junge Frau, die ihre Träume des Musizierens aufgegeben hat und fantasiert, jemanden umzubringen, weil sie in einem Laden arbeitet, in dem sie ständig angefahren wird. Die Geschichte ist nicht nur die längste, sondern Ha Da-in kann ihrem Charakter auch die meiste Tiefe und innere Verletzlichkeit trotz taffen Äußeren verleihen. Sie wirkt sowohl abgebrüht als auch naiv. Ein paar mehr Charaktere, die diese Form der Ausgefeiltheit bieten, hätte "New Normal" nicht geschadet. Doch am Schluss kann man dem Regisseur nur zu einem innovativen Horrorfilm gratulieren, der einem einmal mehr klarmacht, dass Naivität und Unvorsichtigkeit tödlich sein können. Das Tempo und der Witz, mit denen die eigentlich deprimierend düsteren Geschichten erzählt werden, lassen den Film mit Leichtigkeit aus dem Horrorgenre herausstechen. Definitiv empfehlenswert!