Story: Gi-hoon (Choi Wooshik) und Jang-ho (Ahn Jae-hong) holen ihren Freund Joon-seok (Lee Je-hoon) vom Gefängnis ab, nachdem dieser drei Jahre hinter Gittern gesessen hat. Von dem Geld, für das er damals für alle drei ins Gefängnis gegangen ist, ist aber nicht mehr viel übrig. Der koreanische Won ist wegen der hohen Staatsverschuldung nichts mehr wert und im Land wird eigentlich nur noch mit Dollar bezahlt. Von ihrem Geld konnten die zwei Freunde aber nur sehr wenig umtauschen, bevor dies von der Regierung verboten wurde. Also steht Joon-seok nach seiner Haftentlassung ohne irgendetwas da und erkennt das Land, das in tiefe Armut abgerutscht ist, nicht mehr wieder. Er hat aber schon einen neuen Plan. Er will nach Taiwan und dort einen Laden am Meer eröffnen. Dafür will er einen letzten Raub durchführen. Ziel ist ein illegales Casino, in dem nur Dollar akzeptiert wird. Glücklicherweise arbeitet Sang-soo (Park Jung-min) dort als Kellner, denn dieser schuldet Joon-seok noch eine große Menge Geld. Er kann ihn also dazu überreden, sie mit internen Infos zu versorgen und bei dem Überfall mitzumachen. Allerdings kommt es erst nach dem Raub zu den eigentlichen Problemen. Um nicht erkannt zu werden, haben die vier die Festplatten der Videokameras mitgenommen. Auf diesen sind jedoch auch Gesichter von wichtigen Männern, die mit dem Casinobetreiber Geschäfte machen. Um die Festplatten für das Casino wiederzubeschaffen, wird der kaltblütuge Auftragskiller Han (Park Hae-soo) auf die Räuber angesetzt und eine tödliche Jagd beginnt.
Kritik: "Time to Hunt" stellt eine ziemliche Überraschung dar, weil sich der Streifen wie ein internationaler Film anfühlt, an anderer Stelle wiederum eindeutig koreanisch ist und hin und wieder an einen low-budget Film erinnert, auch wenn die Qualität an (fast) jeder Stelle top ist. Es mag sein, dass ein paar dieser Aspekte damit zusammenhängen, dass der Film von Netflix produziert wurde. Zumindest würde das erklären, warum dem Regisseur augenscheinlich mehr kreativer Freiraum gegeben wurde. Der Thriller startet als relativ typischer Raubüberfallsstreifen und wird dann zu einem spannenden Überlebenskampf. "Relativ typisch", weil das Setting eigentlich ziemlich außergewöhnlich ist. Es handelt sich erkennbar um Südkorea, aber wir scheinen uns in einer nicht allzu fernen Zukunft zu befinden. Und ein leicht apokalyptisches Flair schwingt ebenfalls mit. Das liegt sowohl an der gelben Staubwolke, die über der Stadt hängt, als auch an der Arbeitslosigkeit, die durch eine Finanzkrise ausgelöst wurde.
Wir erfahren eigentlich nicht viel über die Hintergründe dieser Welt. Aber direkt zu Beginn fahren die Protagonisten durch die Stadt, die mit ihren Slums und verlassenen, abrissbedürftigen Gebäuden, eher an gewisse Teile der USA erinnern. Dass uns nicht erklärt wird, wie es dazu kam, abgesehen von der Finanzkrise, ist eine kluge Entscheidung. Man akzeptiert es schnell als das Setting der Geschichte, zumal es sich um eine eher realistische "post-apokalyptische" Welt handelt, wie die jetzigen Geschehnisse auf der Welt andeuten. Gleichzeitig erlauben die verlassenen Gebäude auch mit relativ wenig Budget einen glaubwürdigen Film auf die Beine zu stellen. Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, "Time to Hunt" sei ein billig produzierter Film. Vielmehr ist Regisseur Yoon Sung-hyuns Handschrift zu erkennen, der sein Debüt mit "Bleak Night", einem Indie-Drama hatte. Die gleiche Form von Verlassenheit und Einsamkeit kommt auch hier stellenweise zum Vorschein.
Hauptdarsteller Lee Je-hoon ("I Can Speak") gibt eine schöne Darstellung ab, gerade auch, weil er im Laufe des Films die größte Wandlung durchmacht. Am Anfang kann man ihn noch wenig leiden. Er zwingt seinen Freunden den Überfall mehr oder weniger auf, später realisiert er aber, wofür er verantwortlich ist. Das macht sich bei ihm in Form verschiedener Alpträume bemerkbar und so lernt er mit der Zeit Verantwortung zu übernehmen. Die Grauzeichnung seiner Person ist recht ordentlich gelungen, zumal er uns erst unsympathisch vorkommt, aber gegen Ende gut als Protagonist funktioniert. Nicht nur bei ihm zeigt sich aber, dass das Ende des Films kaum noch etwas mit dem Anfang zu tun hat. Es passiert sehr viel im Laufe der Geschichte und etwas kritischer muss man sogar anmerken, dass eine gewisse Kohärenz zu bemängeln ist. Das mag die Geschichte etwas mitnehmender und ein wenig epischer gestalten, da man das Gefühl hat eine Serie zu sehen, deren Folgen jeweils einen leicht anderen Fokus haben, aber es zeugt auch von einem nicht ganz sauber geschrieben Drehbuch und davon, dass der Regisseur zu viel von allem wollte.
Die vier Amateure überfallen nach einiger Planung ein Casino und das holt uns auf hervorragende Weise ab, da es eine ungewöhnliche Welt mit etwas verzahnt, das wir schon unzählige Male in Filmen gesehen haben. Doch dann wird alles durch den verrückten Auftragskiller Han gruseliger. Ja, seine Anwesenheit wird oft wie in einem Horrorfilm durch ein Gesicht im Schatten und gruselige Musik begleitet. Und es funktioniert. Man bekommt wirklich Angst vor diesem Mann, der völlig unberechenbar scheint. Die Spannung treibt das enorm in die Höhe und das ist die größte Stärke des Films. Zusammen mit einigen nervenzerreißenden Schießereien, bei denen nicht die Action im Vordergrund steht, sondern die Gefahr, tatsächlich von einer Kugel getroffen zu werden, punktet "Time to Hunt" mit einem ungewöhnlichen Schwerpunkt, unterstützt durch einen spannenden Soundtrack und passenden Soundeffekten wie stetig ansteigendem Herzschlag, der sich in die Musik mischt. Durch den gelben Farbstich und die heruntergekommenen Gebäude entsteht außerdem eine horrorartige Atmosphäre. Davon kann man beeindruckt sein.
Natürlich handelt es sich hier nicht um einen Horrorstreifen, aber es ist erstaunlich, wie viele Elemente aus diesem Genre für den Thriller herangezogen wurden. "Time to Hunt" ist ungemein spannend, wenn auch mit seinen über 130 Minuten etwas zu lang geraten. Dennoch wird es nie wirklich langatmig. Man hätte sich bei den Nebencharakteren aber vielleicht etwas mehr Tiefe gewünscht, sodass das Drama besser funktioniert. Das Ende des Films scheint uns die Katharsis zu verwehren, nach der wir bzw. der Held der Geschichte die ganze Zeit sucht, aber dann bekommt man sie doch... und wieder nicht. Regisseur Yoon macht den Fehler einen zu langen Epilog ans Ende seines Films zu setzen. Dieser ist per se nicht schlecht, aber Yoon zeigt damit einmal mehr auf, dass ihm oft der rote Faden entgleitet. Trotz allem ist "Time to Hunt" ein gelungener und vor allem spannender Thriller, der mit seiner besonderen Atmosphäre heraussticht.