Story: Ok-boon (Na Moon-hee) ist in ihrer Nachbarschaft bekannt und gefürchtet. Jede Form der Ordnungswidrigkeit dokumentiert sie
sofort und meldet sie bei der Bezirksstelle. Dort hat der sehr regelorientierte Park Min-jae (Lee Je-hoon) gerade angefangen. Seine Kollegen bemitleiden
ihn, dass er nun mit Ok-boon zu tun hat, die bereits seit zwanzig Jahren zu ihnen kommt, doch Min-jae hat kein Problem damit, seinen Job zu machen.
In Ok-boons Nachbarschaft soll es unter dem neuen Eigentümer zu Sanierungen kommen, gegen die sich Ok-boon wehrt, und der Beamte findet eine Lösung,
die sowohl seine Chefs als auch zunächst die alte Dame zufriedenstellt. Min-jae kümmert sich auch um seinen Bruder, der noch auf die Schule geht und hat
deshalb wenig Zeit, sich auf eine wichtige Prüfung vorzubereiten, die er für seine Karriere ablegen will. Überdies trifft ihn Ok-boon auch noch zufällig in
einer Sprachschule für Englisch, wo sie herausfindet, dass er perfektes Englisch spricht. Sie möchte von ihm unterrichtet werden, da sie sich mit ihrem
Bruder, der als Kind von ihr getrennt wurde und in den USA lebt, unterhalten will. Min-jae hat für so etwas keine Zeit. Als er aber herausfindet, dass
sie ihren Bruder bekocht, den sie zufällig getroffen hat, überlegt er es sich anders.
Kritik: Es gibt manche Filmemacher, die glauben, sie müssten nur ein Thema wählen, das beim Publikum ankommen muss und/oder an deren
Nationalstolz appelliert, und schon liegen ihnen die Kritiker zu Füßen. Oder zumindest die Zuschauer. "I Can Speak" hat beides bewerkstelligt, da
der Streifen auch einige Preise abgeräumt hat. Gerechtfertigt ist das aber keineswegs. Denn was anfangs als schöne Komödie über zwei interessante
Charaktere beginnt, die schließlich eine ungewöhnliche Freundschaft oder Mutter/Sohn-Beziehung verbindet, gerät nach einer Wende völlig von der Bahn dessen
ab, was man sich bei diesem Film noch hätte vorstellen können. Und dabei ist nicht das für koreanische Komödien typische Abgleiten in ein Drama ab der zweiten
Hälfte gemeint, auch wenn dies ebenso zutrifft. Sondern vielmehr, dass "I Can Speak" plötzlich eine ganz andere Geschichte erzählen will.
Bleiben wir aber erstmal dabei, was gut funktioniert. Nah Moon-hee ("Miss Granny") spielt die Großmutter, die in ihrer Freizeit
nichts Besseres zu tun hat, als für Recht und Ordnung in ihrem Viertel zu sorgen. Dabei umschifft Nah tatsächlich Klischees und lässt ihre Person eben nicht
nur wie die nörgelnde alte Schreckschraube rüberkommen, für die man keine Sympathie entwickeln kann. Speziell mit ihrem Wunsch, Englisch zu lernen, wird
sie auch für den Zuschauer zugänglicher. Und Ok-boon gerät nicht einfach an den Zivilbeamten Min-jae, mit dem sie sich fortan in den Haaren liegt, weil dieser
schlichtweg stellvertretend für die Stadt steht. Min-jae hat seine ganz eigenen Zukunftspläne, einen jüngeren Bruder, für den er Verantwortung übernimmt
und eine nicht so schöne Vergangenheit. Lee Je-hoon ("My Paparotti") mimt den Zivilbeamten mit den nötigen Nuancen, um die
Chemie zwischen den beiden Protagonisten auch von seiner Seite funktionieren zu lassen.
Die Geschichte entwickelt sich dabei zuweilen etwas langsam und man fragt sich, ob da überhaupt noch etwas Besonderes kommt, außer Ok-boons Wunsch, mit
ihrem Bruder zu reden. Aber im Endeffekt wäre es besser gewesen, wenn der Film tatsächlich etwas minimalistischer geblieben wäre. Das Band, das die beiden
Individuen im Fokus der Geschichte immer enger miteinander verknüpft, wird durch einige gut geschriebene komödiantische Momente gestärkt, die nicht nur
mit dem Englisch, das anfangs augenscheinlich das Zentrum der Geschichte sein mag, in Zusammenhang stehen. Es ist gut, dass "I Can Speak" mehr ist, als die
typische Komödie, bei der man schon zu Anfang zu glauben weiß, wo die Zutaten wie Großmütterchen, das von einem jungen Zivilbeamten Englisch lernen will,
hinführen könnten. Tatsächlich gibt es auch keine ernsthaft peinlichen Momente hinsichtlich der englischen Sprache, nur ein paar sehr kleine Ausrutscher.
Das hört sich alles sehr vielversprechend an, aber gerade dann, als der Film etwas zu lang geraten scheint, kommt es zu einer großen Offenbarung, die
den Film in eine völlig andere Richtung lenkt. Ab jetzt folgen Spoiler. Wer also genauso negativ überrascht werden will wie ich, sollte erst im nächsten
Abschnitt weiterlesen. "I Can Speak" dreht sich nämlich um Trostfrauen und Ok-boon ist genau so eine. Um genau zu sein, ist sie die Aktivistin Lee Yong-soo,
wie wir später in einigen Bildern im Abspann zu sehen bekommen. Die Reise geht nach Amerika, es wird sehr tragisch, tränenlastig und vor allem manipulativ!
Es fehlen einfach die Feinheiten, die eine solche Geschichte hinsichtlich ihrer Ausarbeitung verdient hätte. Stattdessen hat sich der Film vorher für ganz
andere Dinge Zeit genommen. Und wir bekommen cartoonhaft böse Japaner und nicht gerade überzeugende Amis. Der Regisseur erwartet einfach, dass man wegen
der in der Realität verankerten Ungerechtigkeit und des Themas an sich, dem Film einen Daumen nach oben gibt.
Man fragt sich also wirklich, ob man hier überhaupt noch den gleichen Film wie in den ersten 75 Minuten sieht. Die beiden Darsteller wirken in ihren Rollen dann auch etwas verloren. Und den Bogen zum Anfang findet der Film auch nicht, sodass doch noch ein gelungenes Ganzes entstehen könnte. Regisseur Kim Hyun-seok hat mit beispielsweise "Cyrano Agency" bereits bewiesen, dass er sein Fach versteht, aber mit "11 AM" hat er ebenso gezeigt, dass er nicht immer ins Schwarze trifft. "I Can Speak" ist letztlich ein frustrierendes Filmerlebnis. Die ersten 75 Minuten sind eine nette Komödie, der Rest ist ein Drama mit komplett anderem Thema, das zu manipulativ vorgeht und sein Ziel verfehlt. Da fällt es schwierig, eine Empfehlung auszusprechen. Und würde man lediglich die erste Hälfte sehen, wäre man zwar besser dran, es würde aber eine Auflösung fehlen...