Story: Tokyo wird von einigen Gangs regiert. Die Grenzen sind klar abgesteckt und einige der mächtigsten und rücksichtslosesten
Herrscher ist Bubba (Riki Takeuchi). Dessen Sohn Nkoi (Yosuke Kubozuka) ist ungefähr genauso krank wie er und hat in seinem Keller einige Menschen als lebende
Möbel stehen. Eines seiner neuesten Spielzeuge soll Sunmi (Nana Seino) werden, die mit anderen Mädchen von der Straße gekidnappt wurde. Doch nicht nur, dass
diese sich körperlich zu wehren weiß, sie scheint ein Geheimnis zu haben. Währenddessen will Bubbas Adoptivsohn Mera (Ryohei Suzuki) einen Krieg mit den
Musashino anfangen, weil er deren Anführer Kai (Young Dais) nicht ausstehen kann. Aus diesem Grund lockt er ihn in eine Falle, aus der Kai jedoch entkommen
kann und dabei kommt auch Sunmi endlich frei. Schließlich schaukelt sich das Ungleichgewicht zwischen den Gangs immer weiter auf, bis es zu einem offen Krieg
kommt, als Bubba alle seine Männer versammelt und sie gegen die restlichen Gangs ausschickt. So underschiedlich die verfeindeten Gangs auch sein mögen, sie
haben nur eine Chance gegen Bubba zu bestehen, wenn sie sich in diesem Kampf verbünden.
Kritik: "Tokyo Tribe" ist eine Hip-Hop-Oper sondergleichen. Was Sion Sono hier an Einfallsreichtum beweist, ist beeindruckend und auch wenn
die Substanz des Films diesmal eher dem Spaßfaktor weichen muss, kann man sich nur vor dem Endprodukt verneigen. Das muss aber nicht heißen, dass einem "Tokyo
Tribe" gefallen muss. Das totale Chaos, das spätestens im letzten Drittel des Films ausbricht, das durchgehend halsbrecherisch hohe Tempo und die Action sowie
der Humor, die ab einem bestimmten Punkt beinahe völlig außer Kontrolle geraten und damit auch manchmal etwas zu viel des Guten sind, werden nicht bei jedem
die richtigen Saiten anklingen lassen. Ebenso dürften einige der pinku-eiga Elemente einigen Zuschauern etwas zu sexistisch wirken, aber Sion Sono packt eben
einfach alles in seinen Film, was wir von ihm kennen, und mehr!
Ganz klar ist "Tokyo Tribe" ein Musical, obwohl ich mir nie sicher bin, ob Rap oder Hip Hop manchmal wirklich als Musik bezeichnet werden kann. Mit dieser
bewusst provokanten Aussage soll außerdem gezeigt werden, dass man Hip Hop sogar weniger als neutral gegenüber gestimmt sein kann und trotzdem wird einem
dieser Film gefallen können. Ohne Zweifel hat die hier gezeigte Musikrichtung einen Rhythmus und dieser wird die gesamte Erzählung hindurch immer wieder sehr
passend eingesetzt. Überdies besteht so kein Zweifel, dass es sich hier tatsächlich um ein Musical, wenn auch eben nicht im herkömmlichen Sinne handelt.
Neben den zahlreichen Rap-Einlagen beeindrucken vor allem die vielen langen Kamerafahrten, von denen bereits die erste auf sehr imposante Weise die bunte
Welt des Films vorstellt und uns sogleich in diese hineinwirft, wobei wir auch von einem Erzähler an die Hand genommen werden.
Sometani Shota ("Himizu") dient uns als Erzähler und scheint außerhalb der Geschichte zu stehen sowie als neutraler Beobachter innerhalb
dieser zu agieren, weshalb er für uns an gegebener Stelle die Geschehnisse umreißt und dabei direkt den Zuschauer adressiert. Diese Aufhebung der vierten Wand
erachte ich normalerweise als störend, aber da Shota die Geschichte rappend vorträgt und auch die restlichen Personen des Films immer wieder in die Kamera
blicken, bekommt man lediglich das Gefühl, ein Musikvideo zu sehen. Genau aus diesem Grund funktionieren viele Elemente, die in einem normalen Film eher
beanstandet werden müssten. Beispielsweise werden etliche augenscheinlich unpassende Aspekte verschiedener Genres zusammengewürfelt. Baseballschläger-schwingende
Gangster, Charaktere die aus einem Manga entsprungen scheinen und mit einem Samurai-Schwert durch die Gegend rennen sowie Martial Arts-Sequenzen, um nur
ein paar zu nennen.
Der totale Unsinn, den man zu sehen bekommt, macht auch nicht vor den Charaktere halt. Da wäre Bubba als Bösewicht, der brutal, böse, aber irgendwie auch
amüsant abgedreht ist. Gleichzeitig hat er Frauen zum Fressen gern (wortwörtlich!) und überspielt seine Impotenz mit seiner Sexsucht. Ist das noch nicht genug,
so ist da außerdem noch sein Sohn, der den Willen seiner Sklaven so weit bricht, dass er sie als Möbel verwenden kann. Was in Sion Sonos Filmen normalerweise die
Abgründe der menschlichen Seele erforscht und dabei äußerst unangenehm werden kann, ist hier so stark überdreht, dass es schlichtweg nicht ernstgenommen werden
kann und lediglich amüsant ist. Genauso verhält es sich mit einigen sexistischen Szenen, wobei Erotik in welcher Form auch immer bei dem Regisseur nie fehlen
darf. Daneben gibt es schnelle Action, in der vor allem Nana Seino überrascht, und neben den Massenprügeleien, gibt es auch schön choreografierte lange
Kamerafahrten durch die Action auf dem Schlachtfeld.
Bei der Vielzahl an Charakteren hat man lange keinen richtigen Bezugspunkt, doch das ändert sich ab der zweiten Hälfte und hier fängt "Tokyo Tribe" auch an, richtig Spaß zu machen. Das liegt an dem enorm hohen Tempo, den bunten Bildern, bemerkenswert aufwändigen Sets (auch wenn einige CGI-Einschübe nicht überzeugen können, aber wahrscheinlich auch nicht sollen), der Erzählweise über das Medium Hip Hop und den beinahe epischen Gruppenschlägereien. Wo Filme wie "Crows Zero" mich nicht ansprechen konnten, kann dieser auf einem Manga von Santa Inoue basierende Film durch seine außergewöhnliche Mischung überzeugen, die vor allem eines verspricht: Spaß. Da verzeiht man es auch, dass im Finale die Action völlig auf die Spitze getrieben wird und der Funken einer tatsächliche Aussage hinter dieser Achterbahnfahrt allem doch etwas zu spät aufgedrückt wird. Nach seinem letzten Film "Why Don't You Play in Hell?", dachte man wohl kaum, dass Sion Sono noch sehr viel Abgedrehteres abliefern können wird. Falsch gedacht!