Story: Arisu (Kento Yamazaki) sitzt immer noch zusammen mit Usagi (Tao Tsuchiya) und weiteren Mitspielern in einem verlassenen Tokyo fest, in dem sie sich in perfiden Spielen Lebenszeit erkaufen müssen. Es gibt nicht mehr viele Spiele, die gewonnen werden müssen, doch dafür ist deren Schwierigkeitsgrad nun besonders hoch. Körperliche Fitness, Intelligenz und Menschenkenntnis sind genauso gefragt wie Teamfähigkeit bzw. Aufopferungsbereitschaft. Eines der simpleren Spiele ist, einen Killer auszuschalten, der mit Maschinengewehren durch die Stadt läuft und jeden erschießt, den er sieht. Auf der Flucht vor dem Killer werden Arisu und Usagi von Chishiya (Nijiro Murakami) und Ann (Ayaka Miyoshi) getrennt. Während die meisten von ihnen in weiteren Spielen auf neue Verbündete und Widersacher treffen, bemüht sich Ann darum, herauszufinden, warum die Stadt immer schneller von rapide wachsender Vegetation erobert wird. Auch wenn den Spielern immer noch die Antwort verwehrt bleibt, an welchem Ort sie sich befinden, wer hinter den Spielen steckt oder ob sie nach dem letzten Spiel tatsächlich in ihre Welt zurückkehren können, wachsen sie als Menschen und geben sich dadurch gegenseitig Hoffnung.
Kritik: Eigentlich hatte ich geplant, der zweiten Staffel von "Alice in Borderland" lediglich ein kleines Update zu meiner Kritik der ersten Staffel einzuräumen und es dabei zu belassen. Doch mit jeder weiteren gesehenen Folge wurde mir klar, dass das der Serie nicht gerecht würde. Die Fortsetzung hat nämlich in vielen Bereichen noch einmal eine Schippe draufgelegt und stellt damit vielleicht sogar die beste Serie des Jahres dar. Dass mir die erste Staffel bereits besser gefallen hat als das zu sehr gehypte "Squid Game" konnte ich in der Kritik der ersten Staffel noch nicht anführen, da "Alice in Borderland" einfach zuerst da war. Doch mit der zweiten Staffel zeigt sich, dass es keinen Zweifel daran geben kann, wie viel besser und auch vielschichtiger diese auf einem Werk von Haro Aso basierende Manga-Verfilmung ist.
Sicherlich wird es Fans der Serie freuen, dass es direkt zur Sache geht und wir nacheinander in diverse Spiele geworfen werden. Diese sind noch interessanter gestaltet als in der Vorgänger-Staffel und verlangen einiges an Um-die-Ecke-Denken und taktischem Geschick. Gleichzeitig arbeitet die Geschichte auch auf zwischenmenschlicher Ebene weiter. Nicht selten sind die Widersacher nämlich eigentlich gar nicht so böse und versuchen auch nur zu überleben. Die Grauzeichnungen sind ebenfalls dank der guten Charakterausarbeitung gelungen, auch wenn manche Charaktere vielleicht etwas grober gezeichnet sein mögen. Diesmal bekommt auch Chishiya mehr Raum und er bekommt sogar seine eigenen Spiele, die er überleben muss. Da er ohnehin bereits ein faszinierender Charakter mit seiner stets analytischen Art war, ist es schön, etwas mehr über seine Hintergrundgeschichte zu erfahren. Auch diesmal macht die Serie aber nicht den Fehler, zu viele Rückblenden in die reale Welt zu verbauen. Nur das Nötigste wird hier geboten, um nicht den einheitlichen Ton der zuweilen surrealen Atmosphäre der Welt zu zerstören.
Das bringt uns dann zum nächsten großen Lob, das der Serie gebührt. Die visuelle Umsetzung des Mangas. Nicht nur, dass - um nur ein kleines Beispiel zu nennen - beim einfachen "Fangen"-Spiel das Licht der Spielapparatur am Rücken der Spieler wunderbar in der dunklen Umgebung heraussticht und solche Bilder einen 4K-Fernsehr mit HDR seine Stärken gekonnt ausspielen lassen, nein, die Spezialeffekte sind generell auch einfach großartig. An den Wolkenkratzern Tokyos wachsen überall Ranken empor und auf den Straßen hat die Vegetation den Asphalt und verlassene Autos erobert. Das CGI sieht so gut aus, dass Regisseur Shinsuke Sato in "Alice in Borderland" die Bilder gelungen sind, die man sich von der erst Monate später erscheinenden "The Last of Us"-Verfilmung erhofft hat. Die Sets sind teilweise enorm aufwändig und zeigen, dass man dank des Erfolgs der ersten Staffel wohl einiges mehr an Budget von Netflix zur Verfügung hatte. Das CGI ist derart beeindruckend, dass man es nicht einmal von einigen der ganz klar praktischen Effekte unterscheiden kann. Man kann gar nicht genug betonen, wie episch produziert die Serie aussieht - und zwar auch nach Hollywood-Standard.
Während mit jedem weiteren Spiel die Geschichte ihrem Ende entgegenschreitet, machte sich allerdings bei mir ein ungutes Gefühl breit. Welche Erklärung für das, was in der Serie passiert, würde einen nicht mit einer gewissen Enttäuschung zurücklassen? Bekommt man hier ein zweites "Lost", bei dem ganz klar war, dass die Autoren nicht wussten, wo sie eigentlich mit der Serie hinwollten? Nach einiger ziemlich beeindruckender Action, bei der man sich fragen muss, wie manche der Charaktere noch am Leben sein können und ich schon wieder ziemlich frustriert war (dankenswerterweise gibt es selbst für die Logikfehler am Ende eine tolle Erklärung), fährt das Tempo der Serie etwas runter. Das Finale ist relativ antiklimaktisch und man könnte durchaus kritisieren, dass man sich für den Schluss nicht ein besonders großartiges Spiel ausgedacht hat. Diese Kritik kann ich aber einfach nicht anführen, da die Serie immer wieder gekonnt mit Konventionen bricht - eben auch hier. Das Spiel ist eigentlich nur die Fassade für ein weiteres Spiel.
Nun ist es etwas schwierig, etwas zum Finale zu sagen, ohne zu spoilern. Aber zumindest Folgendes kann verraten werden: Man macht sich äußerst gekonnt lustig über einige der möglichen Auflösungen der Geschichte. Darüber hinaus ist das Ende auch sehr mitnehmend, da das Drama nun in den Fokus rückt. Auch das könnte man bei dem ansonsten flotten Tempo der Serie bemängeln, aber "Alice in Borderland" arbeitet eben hauptsächlich auf Charakterebene - zumeist erfolgreich - und führt das hier einfach nur zu einer gelungenen Auflösung weiter. Spannend bleibt es ohnehin, da wir hinsichtlich der Antworten in verschiedene Richtungen gepeitscht werden und einfach alles möglich ist. Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal das Ende einer Serie wie hier wirklich zufriedenstellen konnte. Es ist schlüssig, im Nachhinein irgendwie auch naheliegend, behält aber etwas Mystisches bei und bietet auch Raum für Interpretationen. Das letzte Bild könnte eventuell darauf hindeuten, dass es so etwas Ähnliches wie eine Fortsetzung geben könnte, doch hoffentlich verzichtet man darauf. "Alice in Borderland" ist annähernd perfekt, so wie es ist.