Story: Wai-man (Francis Ng) hat all sein Geld in eine Wohnung gesteckt, die er noch zwanzig Jahre abbezahlen muss. Er und seine Familie sparen an allen Ecken und Enden, um irgendwie zurechtzukommen. Seine Frau Suk-yin (Anita Yuen) verzichtet auf einen Urlaub mit ihren Freundinnen, die Tochter (Jocelyn Choi) macht sich Make-Up aus Gemüse und der Sohn (Ng Siu-hin) verzichtet auf das neueste Smartphone. Wai-mans im Rollstuhl sitzender Vater (Cheung Tat-ming) lebt ebenfalls zusammen mit der Familie und so gibt es jeden Tag auf dem beengten Raum Streit, nicht zuletzt auch, weil die Nachbarn der Familie den letzten Nerv rauben. Da ist der Metzger, der jeden Tag Schweinefleisch kleinhackt oder der alte Herr unter ihnen, der stets bei offenem Fenster raucht und damit die Luft verpestet. Doch immer wenn es der Familie in der etwas schäbigen Wohnung zu viel wird, schaut sie aus dem Fenster. Denn dort zeigt sich ihnen zwischen den Häuserschluchten ein Blick aufs Meer. Als dann das einzig Positive in ihrem Leben von einer Reklametafel versperrt wird, glaubt die Familie den eigenen Augen nicht. Der Nachbar gegenüber, Wong Siu-choi (Louis Koo), hat auf sein Dach die Tafel gestellt und ist nicht bereit, diese wieder abzubauen. Da er keine Genehmigung dafür hat, ist sich Wai-man sicher, dass sich leicht etwas dagegen unternehmen lässt. Die bürokratischen Hürden und Schlüpflöcher, die Wong nutzt, bringen die Familie aber schließlich an den Rand der Verzweiflung.
Kritik: Die Mieten in Großstädten werden zunehmend unbezahlbar. Das sollte keine wirklich neue Information sein und schon gar nicht, wenn es um Hongkong mit seinen fast 7,4 Millionen Einwohnern geht. Hier eine zumindest annehmbare Wohnung zu bekommen, ist schon ein kleines Wunder und mit "annehmbar" ist damit gemeint, dass es zumindest ein Fenster gibt. "A Home With a View" greift diese Prämisse auf und treibt sie ins Extreme. Das haben wir bereits in dem blutigen Thriller "Dream Home" gesehen, aber diesmal ist der Ton etwas leichter. Wer sich allerdings auf eine Komödie einstellt, wird von teilweise makaberen Szenen und Entscheidungen aus der Bahn geworfen werden. Es handelt sich bei Herman Yaus neuestem Film nämlich um eine schwarze Komödie. Das Problem ist nur, dass das erst gegen Ende wirklich klar wird. Davor bekommen wir viel Klamauk und Familienchaos. Wer sich mit dem plötzlichen Wechsel im Ton nicht anfreunden kann, wird wenig Spaß an dem Film haben.
Da die Komödie sich um die Probleme der Bewohner Hongkongs dreht und überdies mit seiner zuweilen recht überdreht wirkenden Art und dem doch kulturell einfach anders gelagerten Humor nicht überall im Ausland Anklang finden wird, ist es überaus verwunderlich, dass er seinen Weg auf Netflix gefunden hat. Beschweren will ich mich sicherlich nicht, aber die Auswahl des Streamingdiensts, welcher Film ins Programm kommt, ist doch ziemlich merkwürdig. Wer allerdings mit dem Humor klarkommt - und ganz so befremdend, wie hier der Eindruck entstehen mag, ist er dann doch nicht -, wird schnell in den Film gesogen. Das liegt auch daran, dass es in der Tat einige Szenen gibt, die am Stück gedreht wurden und damit an ein Theaterstück erinnern. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Komödie basiert auf einem Theaterstück von Cheung Tat-ming, welcher wiederum im Film auch den Großvater spielt. Die flotte Dynamik lässt daher nie Langeweile aufkommen.
Der Film ist auch gut besetzt. Francis Ng ("Two Thumbs Up") als Vater hat keine besonders herausstechenden Eigenschaften, aber überzeugt als jemand, der normalerweise alles über sich ergehen lässt, bis es schließlich zu viel wird. Eigentlich ist der Vater auch dann noch nicht wirklich bereit, etwas Extremes zu unternehmen, aber im Zusammenspiel mit dem Rest der Familie schaukelt sich die Bereitschaft, etwas gegen das gemeinsame Leid zu unternehmen, irgendwie hoch. Die Probleme werden dabei von Wong, porträtiert von Louis Koo ("Line Walker 2"), erzeugt. Ein Mann, der sich zunutze macht, dass die Gesetzgebung in Hongkong bei Werbetafeln doch etwas eigenartig ist. Zumindest bekommt man den Eindruck, dass die Bürokratie in der Stadt ähnlich unsinnig sein kann wie in Deutschland. Selbstverständlich wird das alles aufs Äußerste durch den Kakao gezogen, aber dass "A Home With a View" auch sozialkritische Züge hat, wissen wir an diesem Punkt schon längst.
Anita Yuen ("Integrity") spielt sich an mancher Stelle angenehm in den Vordergrund und wirkt neben Francis Ng in ihrer Rolle am natürlichsten, hat aber im Gegensatz zu ihrem Co-Partner eine extrovertiertere Rolle. Dass man es mit dieser Extrovertiertheit auch zum Klamauk bringen kann, zeigen die Darsteller der beiden Kinder, die schlichtweg zu klischeehaft sind, wie z.B. der Sohn, der Möchtegern-Musiker ist und versucht irgendwie über die sozialen Medien Fuß zu fassen. Eine großen Teil der Zeit spielt der Film in der Wohnung und unterstreicht damit einmal mehr seine Wurzeln im Theater. Was in einem Theaterstück aber gut funktionieren mag, kann im Medium Film manchmal daneben gehen. Das oftmals kreierte Chaos wirkt nicht immer glaubwürdig, die Charaktere wirken oft wie Abziehbilder und die Dialoge sprudeln förmlich ohne Punkt und Komma aus den Darstellern heraus. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Für einen sozialkritischen Film wird die Kritik außerdem zu stark ausformuliert. So bleibt auch alles nur an der Oberfläche und das Gehirn kann ausgeschaltet werden. Regisseur Herman Yau ("Shock Wave") hat seinen Film mit ca. 90 Minuten Laufzeit sehr dicht gepackt. Das hält das Tempo hoch, aber es macht die schwarze Komödie auch etwas zu leicht verdaulich. Es gibt keine Zwischenräume, die der Zuschauer auszufüllen hätte. Alles geht Schlag auf Schlag und das ist speziell gegen Ende ein Problem, als die Komödie etwas makaberer wird. Dass die Familie langsam dem Wahnsinn verfällt, wird immer wieder gesagt, aber so richtig sehen konnten wir das bis dahin nicht. Dementsprechend ist das Finale auch recht unglaubwürdig und kann einen sogar überrumpeln. Es wäre schöner gewesen, wenn "A Home With a View" von Anfang an klar ersichtlich eine schwarze Komödie gewesen wäre, anstatt dass uns dieser Umstand gegen Ende ungeschickt um die Ohren gehauen wird. Dennoch bleibt letztlich zumindest eine die meiste Zeit recht unterhaltsame Komödie.