Story: Oh Joon-woo (Yoo Ah-in) wacht wie jeden Morgen auf und hat nicht viel zu tun, außer sich vor seinen PC zu setzen und online mit Freunden zu spielen. Allerdings sind seine Eltern und seine Schwester schon aus dem Haus und seine Mutter hat nicht einkaufen können, weshalb sie ihm einen Zettel dagelassen hat, dass er sich selbst darum kümmern soll. Er beschließt, das später zu erledigen und zunächst einmal weiter am PC zu sitzen. Von seinen Online-Freunden hört er dann aber, dass draußen irgendetwas vor sich geht. Menschen werden aggressiv und greifen andere grundlos an. Als Joon-woo aus dem Fenster blickt, sieht er mit eigenen Augen, wie Menschen in Panik flüchten. Offenkundig Infizierte beißen andere Menschen und stecken diese wiederum mit einem eigenartigen Virus an. Bald wandern vor dem Apartmentkomplex nur noch seelenlose Untote umher. Joon-woo schließt sich in seiner Wohnung ein und realisiert bald, dass er nicht mehr viel zu essen hat, da er nicht einkaufen war. Es dauert nicht lange, bis auch kein Wasser mehr aus der Leitung kommt. Tage und Wochen vergehen, das Internet fällt aus und im Alkoholrausch hat der Junge auch den Fernseher zertrümmert, sodass er an keine Informationen der Außenwelt gelangt. Joon-woo ist vollkommen isoliert und beschließt, sich das Leben zu nehmen. Da macht die junge Frau Kim Yoo-bin (Park Shin-hye) aus dem gegenüberliegenden Apartmentkomplex auf sich aufmerksam und Joon-woo findet wieder einen Sinn im Leben. Denn er scheint doch nicht die einzige Person auf der Welt zu sein.
Kritik: Schon wieder ein Zombiefilm aus Südkorea! Durch "Train to Busan" scheint eine richtige Welle losgetreten worden zu sein, während im Westen mittlerweile eine gewisse Untoten-Müdigkeit zu beobachten ist. Es gibt einfach keine Geschichte mehr, die nicht bereits in dem Genre erzählt wurde. Oder? "#Alive" geht den Weltuntergang durch einen Zombievirus aus der Sicht von Millennials - oder noch genauer der Generation Z - an und baut die Zombieapokalypse als Spiegel der Isolation durch digitale Medien ein. Dieser Blick aus einer anderen Perspektive ist frisch und somit eine Neuauflage von "Shaun of the Dead" - nur gibt es eindeutig weniger Pubs und dafür mehr Instagram und Co. Die Idee ist aber klar - eine Generation von Müßiggängern und Eigenbrötlern, die irgendwie in einer Extremsituation überleben muss. Humor gibt es allerdings nur in kleinen Dosen, vielmehr steht ein wenig Sozialkritik und Spannung im Vordergrund.
Joon-woo sitzt den ganzen Tag vor dem Computer und zockt Online-Games. Damit stellt er auch ein Abbild der jungen Generation Koreas dar, die nicht mehr bereit ist, sich dem enormen Konkurrenzdruck in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt auszusetzen. Er hat sich aus diesem System ausgeklinkt. Es ist leicht, solche jungen Leute als Loser darzustellen, aber zumindest in Südkorea hat man kaum eine Wahl, als wie eine Maschine zu arbeiten, um mit den Kollegen mithalten zu können. Kaum ein erstrebenswertes Leben.
Joon-woo postet sowohl Fotos als auch Videos online und als er aus Gewohnheit am Ende eines Videos sich verabschiedet und dazu aufruft ihn zu abonnieren, wird klar, woraus sein Leben besteht und welche Form der Bestätigung er sich normalerweise holt. Ihm selbst wird natürlich mit den ganzen Zombies um sich herum schnell klar, dass das alles völliger Unsinn ist und nichts mit der Realität zu tun hat. Die Realität ist aber ironischerweise während des Virusausbruchs, dass Joon-woo sich weiter isolieren muss!
Versuchen wir nicht dem Thema aus dem Weg zu gehen: "#Alive" wurde zwar Ende 2019 fertiggestellt, aber er beschreibt genau unseren Alltag, zumindest auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Man soll zuhause bleiben und darf nicht einmal seine Familie besuchen. Gut, bei Zombies auf dem Hausflur, die einem in den Hals beißen wollen, ist das auch nur verständlich. Dennoch sorgt diese Form der Selbstisolation dafür, dass der Teenager keinen Sinn mehr im Leben sieht. Nur durch eine Nachbarin wird er davon abgehalten, sich letztlich das Leben zu nehmen. Yoo-bin, gespielt von Park Shin-hye ("Heart Blackened"), verbindet sogleich ein besonderes Band mit Joon-woo, den sie anfänglich für ein bisschen schwachsinnig hält. Natürlich ist es auch eine der Stärken von Darsteller Yoo Ah-in ("Burning") ein wenig minderbemittelt zu wirken. Viel erfahren wir über die Charaktere eigentlich nicht, aber sie beide sind Überlebende und ungefähr im gleichen Alter. Das reicht, dass die Chemie zwischen ihnen sofort stimmt. Dankenswerterweise gibt es auch keine unnötige Romanze.
Mit den großen Apartmentkomplexen und der anfänglichen Kommunikation zwischen den beiden Teenagern fühlt man sich auch an Hitchcock's "Das Fenster zum Hof" erinnert. Allerdings sind es hier Dronen, die Joon-woo in die von Zombies bevölkerten Apartments blicken lässt. Auch das Handy ist allgegenwärtig. Mit den Klamotten und dem Soundtrack bekommt der Film ebenso einen modernen Anstrich. "#Alive" ist aber nicht nur ein Drama über Isolation, sondern funktioniert auch als Zombiestreifen. Eigentlich wirkt alles sehr klein gehalten, da wir stets in einem der beiden Apartmentkomplexen bleiben, aber die Anzahl der Zombies ist enorm. Manchmal stapeln sie sich sogar ein wenig, aber dankenswerterweise real und ohne CGI! Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel mehr das hinsichtlich der visuellen Glaubwürdigkeit ausmacht. Die Zombies wirken überdies bedrohlich und hinsichtlich der Gewalt wurde das perfekte Maß gefunden. Man muss nicht andauernd sehen, wie in Eingeweiden gewühlt wird, aber eine abgeschlagene Hand im richtigen Moment sollte schon sein. So sollte ein Zombiestreifen aussehen. Auch die Soundeffekte der Untoten stimmen.
Visuell überzeugen auch einzelne Szenen, beispielsweise als Joon-woo ins Treppenhaus geht, um irgendwo etwas zu essen aufzutreiben. Die Lichter seiner Taschenlampe kreieren eine gruselige Atmosphäre, obwohl der Film nicht wirklich als Horrorfilm bezeichnet werden kann. Selbst ein obligatischer Jump Scare funktioniert sehr gut. Die Bedrohung ist real und die Verzweiflung der beiden Teenager genauso. Tatsächlich könnte man aber anmerken, dass es stellenweise etwas unglaubwürdig ist, dass die beiden so gut gegen ganze Horden von Untoten dastehen. Außerdem wirkt das Ende etwas zu glattpoliert und dürfte sogar den einen oder anderen enttäuschen. "#Alive" ist aber einfach unterhaltsam und das auf eine Weise, die irgendwie auch an "Exit" erinnert, wenn auch der Humor etwas zu kurz kommen mag. Dafür stimmt aber die Sozialkritik und die Spannung. Schon während des Sehens war mir daher klar, dass "#Alive" eine um Meilen bessere Fortsetzung zu "Train to Busan" als "Peninsula" gewesen wäre. Hier bekommt man nämlich auch etwas Originalität. Und dank Netflix dürfte der Film auch einem größeren Publikum vorgestellt werden.