Story: Ok-ju (Jeon Jong-seo) ist eine Einzelgängerin und hat ihren Job gekündigt. Allerdings meldet sich bei ihr nach Ewigkeiten wieder ihre Freundin Min-hee (Park Yu-rim) und lädt sie zu sich ein. Als Ok-ju bei ihr ankommt, findet sie ihre Freundin tot in der Badewanne vor. Sie hat ich das Leben genommen und eine Nachricht hinterlassen, in der sie ihre Freundin darum bittet, Rache für sie zu nehmen. Ok-ju war zuvor für eine Sicherheitsfirma tätig gewesen und setzt nun alles daran, die Personen zu finden, die für Min-hees Selbstmord verantwortlich sind. Kurze Zeit später kommt auf Min-hees Handy ein Anruf an und Ok-ju hat ihre erste Spur. Choi Pro (Kim Ji-hoon) war der Anrufer, der anscheinend ein Druckmittel gegen Ok-jus Freundin in der Hand hat. Er erwartet Min-hee, die Ballerina war, an einem bestimmten Ort. Ok-ju taucht stattdessen dort auf und folgt Choi aus sicherer Entfernung zu seinem Haus. Als er am nächsten Tag das Haus verlässt, bricht sie ein, installiert einige Abhörgeräte und findet in seinem Schlafzimmer unzählige USB-Sticks mit Videos, auf denen er Frauen mithilfe von Drogen gefügig gemacht hat. Auch von Min-hee gibt es ein solches Video. Tatsächlich leitet Choi auf diese Weise einen ganzen Escort-Service, indem er die Videos als Druckmittel nutzt. Ok-ju trachtet nun, da sie alle nötigen Informationen hat, nur noch nach Rache. Sie schafft es, in die Nähe von Choi zu gelangen, aber ihr Attentatsversuch soll einige Probleme nach sich ziehen...
Review: "Ballerina" ist einer jener Rachestreifen, bei denen man ganz klar weiß, was einen erwartet. Das Mindestmaß an Story und der Rest ist schonungslose Action. Das trifft es tatsächlich, nur überrascht der Film mit seinem stimmungsvollen Aufbau, der fast schon gemächlich genannt werden muss, und Bildern, die gleichermaßen poliert als auch erfrischend wirken. Das ist nicht zuletzt den neonbeleuchteten Straßen bei Nacht zu verdanken. Mit seiner Atmosphäre kann der Film sich sowohl von der typischen Genrekost lösen (nein, der Stil erinnert erstaunlicherweise nicht an den naheliegenden "John Wick"), als auch ein wenig an einen Indie-Streifen erinnern, in der Ok-jus Freundschaft (oder mehr als das?) zu Min-hee nach und nach in Rückblenden ein wenig ausstaffiert wird. Dabei passiert nichts Weltbewegendes, aber irgendwie verstehen wir mit der Zeit besser, welchen emotionalen Verlust der Tod der Freundin für unsere Heldin tatsächlich bedeutet, auch wenn man es ihr wegen ihrer unnahbaren, kühlen Art nicht immer anmerken mag.
Gelungen ist auch der Bösewicht der Geschichte. Wir bekommen zwar keinen plastischen Charakter geboten, aber dank dessen, wie er mit den Frauen umgeht und seinen Aufgaben nachgeht, ist er nicht nur hassenswert, sondern auch widerwärtig. Das ist eigentlich in einem Film dieser Art die Hauptsache. Viel mehr Charaktere gibt es eigentlich kaum. Ok-ju ist die typische stille Killerin. Jeon Jong-seo ("Burning") verleiht ihr die nötige Glaubwürdigkeit, was gar nicht mal so einfach ist. Die Action, zu der ich noch komme, ist keinesfalls schlecht, aber das geschulte Auge erkennt, dass diese Szenen nicht ihre Expertise sind. Eine kleine, schmächtige Frau, die sich auch gegen korpulentere Gegner durchzusetzen weiß, kann nur glaubwürdig mit Hilfe des nötigen Schnitts auf die Leinwand gebracht werden, wenn ebenso die Darstellerin ihrem Charakter das nötige Selbstbewusstsein in jenen Szenen verleiht. Und das gelingt Jeon. Nur allzu oft versucht man heutzutage, Powerfrauen auf die Leinwand zu bringen und scheitert damit kläglich, weil die Darstellerinnen für die Rolle nicht geeignet sind.
Die Killerin kann also als solche überzeugen und das ist auch einigen interessanten Entscheidungen des Drehbuchs zu verdanken. Wie kompromisslos Ok-ju manchmal vorgeht, führt zu ein paar unerwarteten Szenen, die etwas frischen Wind in die ansonsten unspektakuläre Geschichte bringen. Schließlich wird doch noch eine weitere Figur eingeführt, die ebenfalls Rache will. Natürlich erweist sich diese schlicht als Jungfrau-in-Not, aber auch wenn ein Killerinnen-Duo ebenfalls keine schlechte Wahl gewesen wäre, bekommt Ok-ju so jemanden, den sie im Gegensatz zu Min-hee noch retten könnte, womit ihr Rachefeldzug sie eventuell am Ende nicht in ein riesiges Loch fallen ließe. "Ballerina" ist aber mutig genug, dass man dem Film auch ein düsteres Ende zutrauen würde. Das macht es dann auch einfacher für uns mitzufiebern. Und tatsächlich beginnt dies ab der zweiten Hälfte. Ab jenem Punkt nimmt Ok-jus Rache Fahrt auf und man wird endlich in den Film gesogen. Etwas, was beim gemächlichen Anfang noch nicht der Fall war.
Dann gibt es auch endlich die lang erwartete Action. Hierbei muss angemerkt werden, dass diese das richtige Maß gefunden hat. Es gibt genug Actionfilme, in denen so viele Schießereien und Kämpfe zu finden sind, dass ihnen das Besondere abhandenkommt und man sich sogar langweilen kann - ein Beispiel wäre "Carter". In Ballerina stimmt in dieser Hinsicht alles. Das Finale ist auf perfide Art erstaunlich zufriedenstellend und der Film kann auch genau dann blutig sein, wenn die niederen Instinkte nach Rache befriedigt werden sollen. Die Action ist zudem schnell und gut geschnitten, sodass mit den Soundeffekten jeder Schlag und jeder Schuss spürbar Schaden anrichten. Einen Wehrmutstropfen gibt es natürlich, denn der schnelle Schnitt und die wilde Kameraführung bedeuten auch, dass Kampfkunst-Fans vielleicht etwas enttäuscht sein könnten. Es gibt eben keine langen Stuntsequenzen wie beispielsweise in "John Wick 4", vor denen man nur den Hut vor den Darstellern ziehen kann.
"Ballerina" weiß bei der Action aber, dass weniger auch mal mehr sein kann. Zudem überzeugt Regisseur Lee Chung-hyun ("The Call") damit, dass er seinen eigenen Stil hat, selbst wenn er hier und da etwas abkupfern sollte, was aber ehrlich gesagt bei dem Genre unvermeidlich ist. Darüber hinaus geht es in der Geschichte, wie sich während der letzten Konfrontation zeigt, auch darum, dass es Frauen gibt, die sich nicht in die Opferrolle fügen. Die Männer mögen hier alle Gangster sein, aber dennoch hat man nicht das Gefühl, dass "Ballerina" hier simplifiziert und am Ende auch noch eine Botschaft aufs Auge drücken will. Die Botschaft, sofern man eine sehen will, steckt schlicht in der Rachegeschichte, so wie es auch im Hong Kong Kino vergangener Tage der Fall war. Hätte es einen Film wie "Ballerina" also wirklich gebraucht? Vielleicht nicht unbedingt, aber es ist ein gelungener Eintrag ins Genre, der auf modernisierte Art eine mitreißende Rachegeschichte mit einer weiblichen Killerin im Fokus bietet. Für Genre-Fans also absolut empfehlenswert.