Story: Es ist das Jahr 1997 und die Finanzkrise in Asien zwingt die Eltern von Song Kook-hee (Song Joong-ki) nach Kolumbien. Eigentlich sollte es nur eine Zwischenstation bleiben, um in die USA weiterzureisen, aber direkt bei ihrer Ankunft werden der Familie alle ihre Ersparnisse geraubt. Kook-hees Vater sucht Hilfe bei Park Jang-soo (Kwon Hae-hyo), mit dem er zusammen in Vietnam war. Dieser hilft ihm jedoch nicht wirklich weiter. Immerhin kann Sook-hee durch dessen Verbindungen einen Job finden. Park ist in der koreanischen Nachbarschaft der Ansprechpartner Nummer 1, da er Kontakte zum Zoll hat. Die meisten koreanischen Migranten verdienen ihr Geld nämlich mit dem Verkauf von geschmuggelter Ware, vor allem Kleidung. In dem korrupten Land kann Park dafür sorgen, dass die Waren auch ohne enorme Zollkosten ankommen. Kook-hee erweist sich als fleißiger Arbeiter und so nimmt Soo-yeong (Lee Hee-jun), ein wichtiger Mann unter Park, den jungen Mann unter seine Fittiche. Bei einem der nächsten Schmuggel-Aufträge läuft jedoch etwas schief und Soo-yeong kann beweisen, dass auch er weiß, wie er die Polizei und den Zoll bestechen kann, um alles wieder geradezubiegen. Bald plant Soo-yeong aber aus dem Schatten seines Bosses herauszutreten und bittet dafür Kook-hee um Hilfe. Die beiden sind erfolgreich und stellen sich bei ihrem Vorhaben auch nicht dumm an, da sie Park daran beteiligen. Doch ein interner Machtkampf scheint auf kurz oder lang unausweichlich.
Review: Wenn die meisten Gangstergeschichten schon erzählt sind, warum dann den Schauplatz nicht einfach in ein anderes Land verlagern? Das scheint man sich bei "Bogota: City of the Lost" gedacht zu haben. Während in Filmen wie "Escape from Mogadishu" der Plot etwas Besonderes bereithält und damit in Erinnerung bleiben kann, ist dies hier nicht der Fall. Im Grunde handelt es sich um dieselbe Geschichte, wie wir sie beispielsweise in "A Dirty Carnival" und unzähligen weiteren Filmen bereits gesehen haben. Der Aufstieg eines kleinen Ganoven, der versucht, seine Menschlichkeit nicht zu verlieren, aber immer härtere Entscheidungen treffen muss. Am Ende bietet der Film neben seinem ungewöhnlichen Schauplatz damit nicht viel Neues und kann vor allem hinsichtlich des Drehbuchs nicht voll überzeugen. Seine größte Stärke vermag der Film zudem nicht auszuspielen: das Thema der koreanischen Einwanderer, die gezwungen (?) sind, sich mit unehrlicher Arbeit über Wasser zu halten und damit ein Teil des Problems werden, das Kolumbien plagt, nämlich Korruption und Verbrechen. Hier hätte die Geschichte weitaus mehr ins Detail gehen, die Hoffnungen und Ängste der Menschen verdeutlichen müssen, aber letztlich soll leider der Gangsterplot im Mittelpunkt stehen.
Unglücklicherweise läuft bei der Geschichte alles sehr vorhersehbar ab. So gibt es auch mehrere Zeitsprünge von ein paar Jahren, wenn Kook-hee sich in der Gangsterwelt etwas nach oben gearbeitet hat. Anfangs hat der junge Mann überhaupt kein Interesse daran, sich in das zwielichtige Milieu zu begeben, er will nicht einmal an einem Joint ziehen. Doch wie wir in einem inneren Monolog hören, soll er plötzlich mit der Gangsterwelt liebäugeln und flieht, ohne einen ersichtlichen Grund der Dringlichkeit, mit einem Laster voller Schmuggelware vor der Polizei. Woher dieser Sinneswandel kommt, ist unklar. Momente wie dieser tauchen nicht selten auf und sind ein Beweis für das unausgegorene Drehbuch. Bei den Charakteren geht es dann weiter. Zwar mag sich Song Joong-ki ("Space Sweepers") die die größte Mühe geben, seinem Charakter Nuancen zu verleihen, aber das Drehbuch gibt das nicht her, vielmehr stolpert Kook-hee von einem Klischee des Gangsterdramas ins nächste. Schade ist auch, dass es zwischen den Charakteren keine Chemie gibt. Zu Soo-yeong, gespielt von Lee Hee-jun ("Badland Hunters"), sollte sich eigentlich so etwas wie eine Freundschaft entwickeln, die später dann auf dramatischer Ebene ausgeschlachtet wird, da Kook-hee und er Rivalen werden - doch nichts dergleichen passiert.
Die Schwächen bei den Charakteren gehen noch endlos weiter. Kook-hees Boss tritt irgendwann kraftlos in den Hintergrund und dann sind da noch Kook-hees Mutter und ähnliche Personen, die irgendwie da sind ... eigentlich. Wir wissen nur absolut nichts über sie. Passiert dann mal etwas unweigerlich Dramatisches, lässt uns das völlig kalt. Und wir können dem Protagonisten auf emotionaler Ebene so wenig folgen, da wir nichts über seine Wünsche, Ziele und Hoffnungen wissen. Zudem kommen die Koreaner generell alles andere als gut weg. Ehrliche Arbeit scheint für sie nicht möglich zu sein. Da sie nach der Finanzkrise aus ihrer Heimat geflohen sind, ist auch naheliegend (und wird hier und da angedeutet), dass sie vor ihren Schuldnern geflohen sind. Sie sind also genau die Art von Einwanderern, die Kolumbien alles andere als braucht. Und da kommen wir zum nächsten Punkt: Auch wenn der Film hauptsächlich um 2000 spielt, muss man sich doch fragen, ob man das Land so einseitig darstellen darf. Alles und jeder ist korrupt und von den Kolumbianern bekommen wir ansonsten nichts zu sehen, weil die Koreaner lieber unter sich bleiben. Kultureller Austausch oder so etwas sucht man vergebens.
Es wäre sehr interessant gewesen, hätte Regisseur Kim Seong-je ("Minority Opinion") einen sozialkritischen Ton angeschlagen oder wenigstens Bogota als Drehort angemessen in seine Geschichte eingewoben. Aber wir bekommen fast nichts vom kolumbianischen Lebensgefühl zu spüren und wissen über die Kolumbianer am Ende nur, dass sie einem ständig mit einem Motorrad vorbeirauschend etwas klauen. Visuell ist "Bogota: City of the Lost" auch nicht wirklich etwas Besonderes, aber immerhin wird auf den oftmals typischen Gelbstich für Südamerika die meiste Zeit verzichtet. Es ist trotzdem schade, dass man nur an extrem wenigen Stellen einen Blick auf das bunte Leben auf der Straße erhaschen kann. Der Film beweist sich also als typisches Gangsterdrama, das genauso gut auf den Philippinen, in Thailand oder eben in Südkorea hätte gedreht werden können. Ein ernstes Ärgernis ist weiterhin, dass man nicht weiß, für wen man sein soll und worauf das alles am Ende genau hinauslaufen soll. Es kommt so, wie man für das Genre erwarten würde, und das Ende lässt einen irgendwie unbefriedigt zurück, eben weil alles gemäß der bekannten Gangsterformel abläuft. Es bleibt also lediglich die Frage, ob Kook-hee am Ende überlebt oder nicht. Aber interessiert uns das wirklich?
Was dem Film darüber hinaus fehlt, ist ein ordentlicher Spannungsgehalt. Actionszenen gibt es, von ein paar uninspirierten Verfolgungsjagden abgesehen, nicht und echte ausgeklügelte Intrigen sind auch nicht vorzufinden. Klar gibt es den einen oder anderen Verrat, aber wie gesagt lässt uns das ziemlich unberührt. Es ist fast schon ein Wunder, dass sich der Streifen mit seinen knapp 110 Minuten nicht viel zu lang anfühlt. Grund dafür mag sein, dass der Film im Grunde solide produziert ist und die Schauspieler sich auch sichtlich Mühe geben. Es fehlt dem Ganzen nur der Unterbau eines ordentlichen Drehbuchs. Am Ende mag "Bogota: City of the Lost" damit zwar Genrefutter für all diejenigen sein, die sich für Gangsterdramen begeistern können, aber dem Film mangelt es an Persönlichkeit und einer echten Seele, was umso verwunderlicher ist, da er mit seinem Schauplatz eigentlich die besten Bedingungen gehabt hätte, um mehr zu sein als nur ein weiterer vergessenswerter Genrevertreter. Allzu große Hoffnungen hat man sich aber vielleicht ohnehin nicht gemacht, denn da der Film eine Netflix-Produktion ist, standen die Sterne wohl auch nicht unbedingt günstig ...