Story: Eiji Shimakura (Ken Takakura) arbeitet in der Werkstatt eines Gefängnisses. Sein handwerkliches Geschick nutzt er auch, um seinen
Wagen umzubauen. Denn mit seiner Frau (Yuko Tanaka) will er durch Japan reisen, wenn sie wieder gesund ist. Allerdings wird seine Frau nicht wieder gesund.
Nachdem sie gestorben ist, fällt Shimakura in ein tiefes Loch. Dann hält er einen Brief seiner toten Frau in den Händen, in dem sie darum bittet, dass ihre
Asche ins Meer nahe ihres Heimatortes gestreut wird. Sein Frau hat Shimakura vorher nichts von diesem Wunsch erzählt und daher ist er etwas verwirrt. Er
macht sich auf die Reise, zumal seine Frau in dem Brief erwähnt, dass in ihrem Heimatort ein weiterer Brief auf ihn wartet. Auf der Fahrt trifft Shimakura
ein paar interessante Persönlichkeiten wie den ehemaligen Lehrer Sugino (Takeshi Kitano), der ihn über den Unterschied zwischen reisen und wandern aufklärt.
Auch der junge Mann Tamiya (Tsuyoshi Kusanagi), den er auf eine Lebensmittelmesse begleitet, kann ihn mit seiner etwas aufdringlichen Art auf seinem Weg
weiterbringen, den Tod seiner Frau zu verarbeiten.
Kritik: Das moderne japanische Kino führt die meiste Zeit ein eher zurückgezogenes Dasein auf bestimmten Filmfestivals, wo man noch bereit ist,
den naturalistischen Geschichten mit ihren subtilen Botschaften die Zeit zu geben, die sie brauchen, um sich auf dem Bildschirm zu entfalten.
"Dearest" ist eben so ein Drama, das Genre-Fans ansprechen wird, die sich von etwas reiferen Geschichten angesprochen fühlen. Der Film stellt eine Reise dar,
die etwas Geduld erfordert und auch wenn man nicht weiß, ob man am Ende dieser Reise tatsächlich an einem Ziel ankommen wird, machen bereits die Erfahrungen, die
auf der Reise gesammelt werden, diese lohnenswert. Mit ein wenig Geduld und Interesse an den wichtigen Fragen des Lebens, wie der Umgang mit Verlust und die Suche
nach einem Ziel im Leben, wird man hier nicht enttäuscht werden.
Das Motiv der Reise ist omnipräsent und zentral ist ebenso die Frage, ob Shimakura tatsächlich reist, also einen Ort hat, zu dem er zurückkehren kann, oder
sich doch auf einer Wanderschaft befindet. Auf seinem Weg begegnen ihm allerlei interessante Persönlichkeiten, mit denen er auf die eine oder andere Weise
seine Zeit verbringt. Aus diesen Begegnungen kann Shimakura immer etwas Wichtiges für sich mitnehmen, das ihn auf seinem Weg weiter bringt. Zunächst mag
es so scheinen, als würden die Begegnungen dem Film etwas Episodenartiges verleihen, aber letztlich wird dies dankenswerterweise vermieden, da die meisten
Charaktere nicht nur einen einzigen Auftritt haben. Wundern sollte man sich außerdem nicht darüber, dass man in zum Teil auch völlig vernachlässigbaren
Rollen bekannte Gesicher sehen wird.
Neben Takeshi Kitano ("Outrage", "Hana-Bi") und Tadanobu Asano ("Last
Life in the Universe") in einem Cameo gibt es auch Haruka Ayase ("Ichi") und weitere Personen zu sehen. Keiner von ihnen drängt
sich aber zu sehr in den Vordergrund. Dafür sorgt das sehr bodenständige Drehbuch und Hauptdarsteller Ken Takakuras stille, aber stets starke Leinwandpräsenz.
"Dearest" hat eine minimalistische Geschichte, doch wird diese komplexer durch die gut ausgearbeiteten Charaktere, die allesamt auf ihre eigene Weise das
Gewicht des Lebens tragen, ohne dass der Film dadurch unnötig deprimierend würde. Es sind deshalb auch die Charaktere, die dafür verantwortlich sind,
dass man sich trotz des gemächlichen Tempos weiter für die Geschichte interessiert.
Überraschenderweise gibt es am Ende sogar noch eine nette Wendung, die man gar nicht erwartet hätte, auch wenn sie nicht die Hauptgeschichte betrifft.
Die eigentliche Geschichte, wird immer von ein paar Fragezeichen begleitet, die vom Verhalten von Shimakuras Ehefrau ausgehen. Wer war diese Frau und was
bezweckt sie mit ihrem Brief? Eine Antwort bleibt uns das Drama nicht schuldig, aber vieles was den Charakter der Ehefrau betrifft, muss zwischen den Zeilen
gelesen werden. Es gibt immer wieder ein paar Rückblenden in ihre gemeinsame Vergangenheit mit Shimakura - diese sind nicht immer chronologisch eingewoben -, aber
jene Rückblenden sind dank eines sehr gelungenen Schnitts immer sofort erkenntlich und erschweren niemals den Zugang zum Film, wie man es von ähnlichen Werken
gewohnt sein mag.
Regisseur Yasuo Furuhata ist ein Veteran im Filmgeschäft und dementsprechend führt er seine Regie mit sehr ruhiger Hand. An ein paar Stellen gibt es schön eingefangene Bilder, bei denen auch ein wenig mit Farben gespielt wird, aber im Grunde will Yasuo mit seiner Regie niemals von der Geschichte ablenken. Mit Hauptdarsteller Ken Takakura hat er bereits etliche Filme gedreht ("Railroad Man", "The Firefly") und eine gewisse Routine - nicht im negativen Sinn - stärkt daher auch die Geschichte. Das Tempo von "Dearest" ist allerdings recht gemächlich, womit das Drama nicht bei jedem gut ankommen mag. Aber die Motive des Films sprechen an und gerade mit seinem Ende und einer nicht zu leugnenden Lebensweisheit schafft es "Dearest" einen angenehmen Schauer über den Rücken rieseln zu lassen.