Story: Es ist das Jahr 1970. Jong-dae (Lee Min-ho) und Yong-gi (Kim Rae-won) verdienen ihren Lebensunterhalt, indem sie Müll sammeln. Die
beiden sind wie Brüder, seitdem sie zusammen in einem Waisenhaus aufgewachsen sind. Doch plötzlich wird ihre Behausung in dem verarmten Viertel, in dem sie
sich durch das Leben schlagen, über ihren Köpfen abgerissen. Die beiden geraten an den Gangster Kang Kil-soo (Jeong Jin-yeong), der ihnen einen Job anbietet.
Sie sollen eine politische Demonstration zerschlagen. Bei dem Handgemenge verschwindet jedoch Yong-gi spurlos. Jong-dae wird von Kang wie ein Sohn aufgenommen
und adoptiert. Allerdings wird Kang von einer rivalisierenden Gang mit einem Messer angegriffen und zieht sich daraufhin aus dem Geschäft zurück. Drei
Jahre später hat Jong-dae immer noch Kontakt zu Kangs Männern. Anscheinend will die Regierung Seoul in Richtung Gangnam, das aus Feldern und Bauernhöfen besteht,
erweitern. Jong-dae gelangt an Insider-Informationen und will mit dem Grundstückhandel das große Geld machen. Die alte Gang lebt wieder auf und Jong-dae
sieht sogar Yong-gi wieder, der nun einer rivalisierenden Gang angehört. Die Freundschaft der beiden wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, als korrupte
Politiker und Gangs einen blutigen Kampf um die zukünftige Vormachtstellung in Gangnam anzetteln.
Kritik: "Gangnam Blues" muss sich mit den Schwergewichten des Genres wie "New World" messen. Das liegt schlichtweg
daran, dass Yu Ha auf dem Regiestuhl gesessen hat - und er ist unbestreitbar ein Meister seines Fachs. Leider scheint die Größe seines epischen
Gangsterstreifens dem Endprodukt auch etwas von seiner Seele genommen zu haben. Emotional werden wir so gut wie gar nicht von den Charakteren berührt und die
Ausrichtung der Geschichte auf politisches Machtgerangel mag ebenso nicht jeden ansprechen. Letztlich ist es gerade zu Anfang äußerst schwierig die
verschiedenen Personen den diversen Parteien zuzuordnen, die gegeneinander Krieg führen. Während die politische Aussage des Gangster-Thrillers unter die Haut
geht, verpasst es Yu Ha seine beiden Protagonisten als ernstzunehmende Bezugspunkte in der Geschichte zu verankern.
Darsteller Lee Min-ho spielt hier seine erste Hauptrolle in einem Film, hatte aber schon eine enorme Fanbasis durch seine Rollen in Dramaserien wie "Boys
over Flowers" aufbauen können. Während man nicht behaupten kann, dass der Regisseur einen großen Fehler mit der Besetzung durch Lee gemacht hat - ein Risiko
war es dennoch -, könnte man sich trotzdem Darsteller vorstellen, die etwas mehr aus der Rolle herausgeholt hätten. Irgendwie bleibt Lee auch etwas
zu sehr der Schönling, dem man den harten Burschen nicht ganz abkauft. Kim Rae-won dagegen schlüpft in eine weitaus flacher geschriebene Rolle, wirkt dagegen
aber auch überzeugender, und wenn es auch nur an seinem zuweilen durchdringend einschüchternden Blick liegt. Außerdem hatte Kim bereits Erfahrungen als
Gangster in dem gelungenen Streifen "Sunflower" sammeln können.
Am menschlichsten und komplexesten wirkt Kang Kil-su, was klar an Darsteller Jeong Jin-yeong ("Tabloid Truth",
"The King and the Clown") liegt. Demnach hätte Yu Has Gangsterstreifen auf emotionaler Ebene besser funktionieren
können, wenn er alle seine Rollen mit erfahreneren Darstellern besetzt hätte? Nein, zum einen ist es angenehm in den Nebenrollen nicht immer die gleichen
Gesichter aus Gangsterfilmen zu sehen und zum anderen verpasst es Yu Has Drehbuch dem Drama ein ordentliches Fundament zu verschaffen. Das macht sich dann
natürlich besonders gegen Ende bemerkbar, wenn "Gangnam Blues" etwas dramatischer wird und dies zum Teil so aufgezwungen wirkt, dass man sich in einer
Dramaserie glaubt. Dass es Yu Ha so viel besser kann, hat schon sein "A Dirty Carnival" gezeigt.
Doch das ist wahrscheinlich das Problem, wenn man seinen Film auf epische Ausmaße ausdehnt: Die kleinen Geschichten, die das wahre Leben widerspiegeln und
damit den unglaubwürdigeren Elementen Glaubwürdigkeit verleihen, haben keinen Raum mehr. Dementsprechend wirkt "Gangnam Blues" etwas konstruiert und das
komplexe Gewebe aus verschiedenen Parteien, von denen jede seine eigene Agenda hat, wird so verdichtet präsentiert, dass es die volle Aufmerksamkeit
verlangt. Manchmal wird es aber zu viel - gerade zu Anfang wird man mit unzähligen Namen bombardiert - und man versucht an der Oberfläche wenigstens das
Grundlegende mitzuverfolgen. Dann zeigt sich, dass Yu Ha auch nur mit Wasser kocht und es hier um eine simple Geschichte der Bruderschaft und des Verrats
geht, die lediglich durch das recht düstere Setting der 70er etwas aufgefrischt wird.
Visuell werden die 70er aber nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt. Stilistisch erinnert der Film durch seine Hochglanz-Optik eher an moderne Streifen,
doch die Kleidung, Autos, Discos und damit auch die Musik lassen keinen Zweifel daran, in welchem Jahr der Film spielt. Besonders der sehr gelungene Soundtrack
ist zu loben. Die Action darf natürlich auch nicht fehlen, doch wirken die Massenschlägereien eher formelhaft, wenn auch recht blutig. Für die Kritik wurde
übrigens die ungeschnittene 141-minütige Version herangezogen, die nicht nur zu lang scheint, sondern auch ein paar unnötige heiße Sexszenen bereithält.
Obwohl wir uns nicht um das Schicksal der Protagonisten sorgen und damit auch das Drama nicht funktioniert, ist die politische Aussage des Films - das
angesagteste und teuerste Viertel Seouls wurde mit dem Blut erkauft, das korrupte Politiker vergossen haben - von Anfang an klar ersichtlich und kann einen
am Ende dennoch mitnehmen. Als Film ist "Gangnam Blues" aber zu selbstverliebt hinsichtlich seiner epischen Größe und wirkt zudem zu kühl.