Story: In Hong Kong ist bereits zum zweiten Mal eine abgeschnittene Hand aufgetaucht. Die linke Hand einer Frau. Es scheint sich um einen Serientäter zu handeln, der Ausgestoßene der Gesellschaft als seine Opfer auserkoren hat. Dabei handelt es sich um illegale Einwanderer, Obdachlose oder Prostituierte. Detective Cham (Gordon Lam Ka-Tung) wird der Neuling Will (Mason Lee) zur Seite gestellt und gemeinsam kämpfen sich die beiden durch Berge an Müll in den heruntergekommensten Gegenden Hong Kongs, um den Rest der vermutlich toten Frauen zu finden. Die Ermittler treten auf der Stelle, doch dann bietet sich Wong To (Yase Liu) als Informantin an. Sie will damit Wiedergutmachung für etwas leisten, dass sie Cham angetan hat. Cham ist aber nicht bereit zu verzeihen. Dennoch erweist sie sich als große Hilfe und dank ihrer Kontakte im Drogenmilieu kann sie die Ermittler schon bald auf die richtige Spur setzen. Cham bringt allerdings immer wieder ihr Leben in Gefahr, da er sich nicht darum kümmert, ihre Identität zu schützen. Im Gegenteil, er lässt die Drogendealer, die er vernimmt, sogar wissen, wer sie verraten hat. Der Hass des Ermittlers auf die Informantin ist tiefsitzend und dieser Hass soll es auch sein, der in dem Fall schließlich zu einer Katastrophe führt, sodass nun Cham nach Wiedergutmachung strebt. Die Zeit arbeitet aber gegen ihn und Will. Der Killer hat bereits sein nächstes Opfer ausgewählt...
Kritik: "Limbo" ist ein Thriller, gegen den "Sieben" wie eine Romantik-Komödie wirkt. Das hier ist nihilistisches Hong Kong-Kino auf die Spitze getrieben. Und die Atmosphäre saugt einen sofort in die Geschehnisse hinein. Wer kein hartes Fell hat, ist bei diesem Film absolut an der falschen Adresse. Das liegt nicht daran, dass "Limbo" außerordentlich blutig wäre, sondern dass sich in der porträtierten Welt alles als unglaublich rau und düster darstellt. Den Film in Schwarz-Weiß aufzunehmen, ist einerseits eine gute Entscheidung gewesen, als dass man so einige Szenen in ihrer Blutigkeit/Grausamkeit abmindern kann, andererseits verstärken die Bilder durch die Farblosigkeit die Tristheit der Welt. Es ist nicht häufig, dass ich das zugeben muss, aber "Limbo" ist einer jener seltenen Filme, die durch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen an Qualität und Intensität gewinnen. Und trotz einiger kleiner Längen erweist sich der Thriller als durchgehend spannend.
Regisseur Soi Cheang Pou-Soi hat mit "Dog Bite Dog" bereits vor sechzehn Jahren einen Film abgeliefert, der aus jeder Pore puren Nihilismus ausgestoßen hat. Dann kamen Filme wie "SPL 2: A Time for Consequences" oder die um einiges buntere Monkey King-Trilogie, von der aber nur der zweite Teil überzeugen konnte. Mit "Limbo" setzt Cheang aber wieder dort an, wo er wohl am liebsten sein Herzblut hineingießt. Geschichten, die so düster sind, dass es Kraft kostet, sie sich auf dem Bildschirm entfalten zu sehen. Und die Bilder sind es auch, die das Beeindruckendste an dem Streifen darstellen, obwohl es noch genug andere Aspekte zu loben gilt. Man hat oft das Gefühl, sich in einer Parallelwelt zu befinden. Alles wirkt unordentlich, überall liegt Müll, oft genug glaubt man sich durch labyrinthartige Gassen zu bewegen und manchmal zoomt die Kamera auch weit heraus, um diesen Eindruck noch einmal zu verstärken. Dazu kommen ein paar sehr schön eingesetzte Spezialeffekte, da diese kaum auszumachen sind, die das Chaos dieser Welt noch einmal unterstreichen.
Selbstverständlich soll die Bildsprache uns auch nie im Zweifel darüber lassen, dass wir uns hier in der Hölle auf Erden befinden. Es wirkt so, als wäre die Vorhölle an einer Stelle mit unserer Welt verschmolzen und im Hintergrund nehmen wir das reale Hong Kong wahr. Das wird sogar an mindestens einer Stelle sehr deutlich, in der wir die Ermittler eine Müllhalde durchsuchen sehen, während nebenan der Verkehr und das normale Leben ablaufen. Außerdem tauchen wir tief in die Welt jener Menschen ein, die von der Gesellschaft vergessen wurden. Drogensüchtige, Obdachlose, Gangster etc. In ihrer Welt geht es nur ums Überleben, koste es, was es wolle. Wong To ist Teil dieser Welt und dieser Ort stellt ihr Fegefeuer dar. Sie sucht nach Vergebung und Wiedergutmachung muss dafür aber so viel über sich ergehen lassen, dass es nicht mehr schön anzusehen ist. Sie wird von Detective Cham ständig geschlagen und getreten und gerade weil wir sein Handeln zum Teil nachvollziehen können, hinterlassen jene Szenen einen noch tieferen Eindruck.
Wong To lässt das alles über sich ergehen, da sie es verdient hat, aber ab irgendwann kommt der Punkt, an dem man als Zuschauer und sie sich selbst ebenfalls fragen muss, ab wann es genug ist. Denn die Misshandlungen, die sie ertragen muss, steigern sich immer weiter. Yase Liu trägt das Leiden perfekt zur Schau und sie verdient vor allem ein Lob dafür, dass sie als Schauspielerin jene Torturen über sich ergehen lässt. Lam Ka-Tung ("Vengeance") bekommt oft leider nur Nebenrollen, wird hier aber endlich seinem Schauspieltalent angemessen eingesetzt. Der Detective ist ein verbissener Antiheld, dessen Schmerz und Leid wir hinter seiner versteinerten Maske oft genug erahnen können. Mason Lee ("Who Killed Cock Robin") spielt den jungen Detective, der wegen eines Weisheitszahns (das ist tatsächlich auch der Originaltitel des Films) ständig unter starken Schmerzen leidet. Leid ist neben Reue und Wiedergutmachung das alles durchziehende Motiv, aber es gibt neben besagtem Zahn auch noch andere Symbole, die im Film untergebracht werden. So fährt durch den Hintergrund immer wieder eine Bahn, dem man eine besondere Bedeutung zuschreiben kann.
Die Regie und der Schnitt sind herausragend. Die Kameraarbeit ist ebenso dafür verantwortlich, dass "Limbo" alles andere als ein typischer Hong Kong Streifen ist. Und dennoch kann der Film dank seines Nihilismus an die Essenz damaliger Streifen aus der ehemaligen britischen Kronkolonie erinnern. Das Ende, für die meisten wohl durchaus vorhersehbar, und überdies absolut vermeidbar, spielt mit dem Prinzip des Karmas. Die liebevoll gewählten Sets voller Müll, Schmutz, Fliegen und zuweilen Leichenteilen lassen einen regelrecht den Gestank dieser Hölle wahrnehmen, sodass zusammen mit einem guten Soundtrack von Kenji Kawai, alle Sinne angesprochen werden. Manchmal hat man leider den Eindruck, die Geschichte würde auf der Stelle treten, aber "Limbo" ist eigentlich hauptsächlich ein Thriller, den man spürt. Da ist das spannende Finale, bei dem es zu einem Überlebenskampf mit allen Mitteln kommt, keine Ausnahme. "Limbo" ist ohne Zweifel der beste HK-Film des Jahres, gerade weil er sich etwas traut und an den Kräften zehrt. Absolut empfehlenswert, sofern einen die Beschreibungen dieser grausam-düsteren Welt nicht abgeschreckt haben.