Story: Mr. Six (Feng Xiaogang) patrouilliert stets die Straßen, auch wenn die Zeiten, in denen er Mitglied einer Gang war, lange vergangen sind.
Dennoch wird er in seinem Viertel nach wie vor respektiert - selbst von der Polizei. Während die meisten seiner Brüder aus vergangenen Tagen das große Geld
gemacht haben, schlägt sich Mr. Six irgendwie über die Runden. Doch er beklagt sich nicht, wenn da nur nicht sein nichtsnutziger Sohn Xiaobo (Li Yifeng)
wäre, der sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr bei ihm gemeldet hat. Eines Tages hört Mr. Six, dass sein Sohn in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Er geht
der Sache nach und findet heraus, dass Xiaobo aus Rache den Wagen von Xiaofei (Kris Wu) zerkratzt hat. Xiaofei ist bekannt dafür, an illegalen Straßenrennen
teilzunehmen und sein zerkratzter Wagen ist nicht billig. Als Mr. Six ihn dann konfrontiert, droht die Situation aus dem Ruder zu laufen, doch Mr. Six
handelt nach den alten Regeln und Werten der Unterwelt, die den Teenagern von heute nicht mehr vertraut sind. Dank diesen kann er eine Einigung erlangen. Das
Geld für den Wagen aufzubringen, könnte jedoch schwierig werden. Mr. Six meldet sich bei seinen früheren Brüdern, aber diese scheinen mittlerweile den
Werten des modernen Chinas verschrieben: Geld...
Kritik: "Mr. Six" ist eine angenehme Überraschung. Ein Film, der ganz genau weiß, wo er hin will, aber den Zuschauer lange darüber im
Unklaren lässt. Und dennoch fühlt man sich deswegen nicht hinters Licht geführt. Einzig der Trailer wird einen auf die falsche Fährte führen, sodass man glaubt,
hier einen Rache-Thriller oder gar Actionstreifen vorgesetzt zu bekommen. Dem ist aber nicht so. "Mr. Six" ist ein Drama. Aber keines, das in unerträglich
langsamen Tempo erzählt wird und dabei alltägliche Handlungen in den Vordergrund stellt, um darüber die Charaktere zu definieren. "Mr. Six" zeigt die Gegensätze
eines Chinas der Vergangenheit und der Moderne, reibt sich an diesen auf, lässt Konflikte entstehen und unterstreicht gleichzeitig, dass vielleicht doch nicht
alles völlig anders ist als früher. Wie viel China man hier zu sehen bekommt, obwohl der Film auch auf ein internationales Publikum ausgerichtet ist, ist
beinahe erstaunlich, und so bietet der Film eben auch ein gutes Maß an Gesellschaftskritik.
Regsseur Guan Hu ("Cow") lässt sich aber mit seiner Einleitung durchaus Zeit. Wir bekommen den gealterten Gangster Mr. Six vorgestellt,
der vor nichts und niemandem Angst hat und selbst bei der Polizei Respekt genießt. Trotz seiner Vergangenheit und oft ruppigen Art ist er ein Mann, der für
Gerechtigkeit steht. Eine gewisse Form dieses Gerechtigkeitssinns begleitet ihn schon seit seiner Zeit als Gangster, da er einem bestimmten Kodex folgt: dem
Jianghu. Damit ähnelt sein Charakter natürlich auch den Helden aus Wuxia-Geschichten, aber dazu später mehr. Zunächst aber besteht kein Zweifel daran, dass
Mr. Six in der Vergangenheit einiges erlebt hat. Wenn er einem ins Gesicht starrt, kann man nicht anders, als irgendwann den Blick abzuwenden. Allerdings
sieht sich der ehemalige Gangster mit einer Welt konfrontiert, in der Respekt und andere Tugenden von der Jugend nicht mehr hochgehalten werden.
Stattdessen zeigt sich die Moderne von einer Seite, die voller Blendwerk ist. Da wären vor allem schnelle Autos, grelle Farben und viel
Oberflächlichkeit. Zudem regiert Geld einfach alles. Narrativ bewegt sich der Film auf interessantem Terrain. Die Geschichte bleibt stets spannend,
da Mr. Six zwar an seinen Kodex gebunden ist, man aber nur darauf wartet, dass irgendwann das Fass überläuft und er sich noch ein letztes Mal gegen die
moderne Welt aufbäumt. Nicht nur Mr. Six zeigt, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Besonders "Scrapper" sorgt für einen Wow-Effekt, als er mitten in einer
Gruppe Jugendlicher zwei riesige Messer hervorholt und einen Einblick gibt, wie man zu seiner Zeit Situationen wie diese gehandhabt hat. Zhang Hanyu
("Assembly") ist übrigens neben Xu Qing einer der vielen sehr gut gecasteten Nebenrollen.
Die Welt, mit denen die alten Gangster konfrontiert werden, scheint aber voller halbstarker Jugendlicher, die vom Geld ihrer Eltern leben und alle den Look
von Boygroup-Mitgliedern haben. Selbst über seinen Sohn regt sich der markant und taff aussehende Mr. Six auf, weil dieser mit seinem weichen Aussehen und
seiner Frisur nicht an einen echten Kerl, sondern eher an ein Mädchen erinnert. Höflichkeit und vor allem Respekt vor dem Alter sind für Jugendliche ein
Fremdwort - obwohl dies speziell in China eigentlich hohe Werte sind. Und so ist "Mr. Six" nicht nur ein Drama um einen Mann, der langsam erkennen muss, dass
er in so einer Welt nicht mehr zurechtkommt, sondern auch ein Stückweit Gesellschaftskritik. Was den Film dabei so erfolgreich macht, ist, dass er diese Kritik
in zuweilen sehr schönem trockenen oder auch schwarzen Humor verpackt. Diese Mischung geht letztlich absolut auf.
Ganz so hoffnungslos ist die Jugend dann aber doch nicht. Xiaofei liest in seiner Freizeit Wuxia-Geschichten und ist, auch wenn er dies anfangs nicht zeigt, beeindruckt, dass er in Mr. Six tatsächlich noch einen Mann der alten Schule trifft. Das Drama überrascht auch in einigen emotional erstaunlich mitnehmenden Momenten. Feng Xiaogang, der vor allem als Regisseur von Filmen wie "A World Without Thieves" oder "The Banquet" hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat, spielt den kernigen Protagonisten einfach hervorragend. Enttäuscht werden aber jene Zuschauer sein, die Actionszenen erwarten. Davon gibt es nicht eine einzige. Doch immer wieder bekommt man einen Hinweis darauf, dass ein Prequel über die Vergangenheit von Mr. Six wohl äußerst actiongeladen und brutal ausfallen würde. Der Mangel an Actionszenen passt aber zum Film, obwohl der Rest keinesfalls langsam erzählt wird. Dennoch, dass episch anmutende Finale zelebriert sich zu sehr selbst und bleibt einem etwas schuldig. Darüber hinaus ist der Film mit seinen gut 135 Minuten doch etwas zu lang geraten. Davon abgesehen ist "Mr. Six" aber ein herausragendes Crime-Drama.