Story: Pan Xiao (Xu Zheng) ist einer der besten Anwälte Chinas. Bei seinem neuesten Fall muss er einen Wilderer (Duo Bujie) verteidigen, der
einen Polizisten überfahren hat. Er gewinnt den Fall und der Wilderer kommt frei. Da dieser jedoch den Anwalt nicht bezahlen kann, nimmt der Anwalt den Wagen
des Wilderers als Pfand. Für Pan Xiao reiht sich danach ein Unglück an das andere. Er legt sich in einer der abgelegensten Regionen des Landes mit ein paar
Truckfahrern an, die seine Windschutzscheibe zerstören. Daher sieht er nicht, dass ihn die rechte Hand des Wilderers (Huang Bo) wegen eines vorgetäuschten
Platten anzuhalten versucht und so überfährt er ihn. Tatsächlich fährt Pan nämlich, ohne es zu wissen, einen seltenen Falken mit sich herum, den der Wilderer
zuvor nicht aus dem Wagen nehmen konnte. Nun hat der Anwalt große Probleme. Er beschließt, die Leiche des Überfahrenen irgendwo zu verbrennen, weshalb er an
einer eigenartigen Raststätte Halt macht. Dort macht er die Bekanntschaft mit der Prostituierten Li Yuxin (Yu Nan), die mit ihm mitgehen möchte. Aus
naheliegenden Gründen kann er ihrem Wunsch nicht nachkommen, aber so leicht gibt sie nicht auf. Gleichzeitig ist der Wilderer, den er vor dem Gefängnis
bewahrt hat, auf seiner Fährte...
Kritik: Der Stil dieses düsteren Neo-Western meets Road-Movie scheint zuweilen vertraut und dennoch wohnt dem Film etwas genuin Chinesisches
inne. Es gibt kleine Momente, in denen man eigentlich einen Art-House-Streifen hinter "No Man's Land" vermuten müsste - die unglaublich schönen Aufnahmen
der Wüste, um nur ein Beispiel zu nennen -, doch der schwarze Humor und der hohe Unterhaltungswert lassen auch Einflüsse Hollywoods oder eher eines
Streifens der Coen-Brüder erkennen. In der erzählten Geschichte steckt aber einiges an Gesellschaftskritik. So gibt es keinen Charakter, der nicht fehlerbehaftet
ist und einen Aspekt der Probleme des modernen Chinas darstellt. Ungerechtigkeit, Geld, das über allem regiert, Prostitution, Ausbeutung und nicht zuletzt
auch Wilderei. Ja, schlussendlich lässt der Film nicht nur einmal die Grenze zwischen Mensch und Tier verblassen.
Kein Wunder also, dass "No Man's Land" erhebliche Probleme hatte, überhaupt an der chinesischen Zensurbehörde vorbeizukommen. Fertig gedreht war der Film
bereits 2009, doch erst vier Jahre später, und nachdem Regisseur Ning Hao nicht nur einmal daran herumgeschnitten hat, wurde er durchgewunken. Warum, ist
fast schon schleierhaft, denn die Kritik an der modernen chinesischen Gesellschaft ist sehr deutlich. Anscheinend war es genug, dass die Polizei, und
damit die Staatsgewalt, nicht mehr völlig inkompetent in dem Film dasteht. Von der Polizei gibt es jetzt nicht mehr viel zu sehen, weshalb man sich fragt, wie
wohl die Ursprungsversion des Films ausgesehen haben mag. Weiterhin wirkt ein Epilog wie ein aufgezwungener Zusatz, wohl um etwas versöhnlicher
zu stimmen. Tatsächlich ärgert das und man hätte gerne irgendwann den "Director's Cut" gesehen, falls es ihn denn je geben sollte (jedenfalls bestimmt nicht
in China), aber das ändert nichts daran, dass Ning Hao hier eine kleine Filmperle gelungen ist.
Im Zentrum der Geschichte steht ein Protagonist, mit dem man sich nur schwer identifizieren kann, da er die Gesetze so hinbiegt, wie es ihm gefällt und er
überdies nur auf Ruhm und Geld aus ist. Dennoch hat man ab einem bestimmten Punkt in der Geschichte Mitleid, da er anscheinend vom Pech verfolgt wird. Ab und an
scheint durch, dass er kein schlechter Kerl ist, aber er ist und bleibt ein Feigling, der sich Problemen oder Gefahren nicht stellt, sondern vor ihnen
davonrennt. Damit wird für ihn aber alles nur noch schlimmer. Die Entwicklungen in diesem düsteren Western-Thriller sind sehr schön ineinander verwoben, sodass
es einfach Spaß macht zuzusehen, wie sich die Zufälle gegenseitig bedingen. Außerdem wird auf diese Art auch ein sehr gut funktionierender schwarzer Humor
kreiert, der die Geschichte auflockert und dennoch nicht im Kontrast zur teilweisen Schonungslosigkeit steht.
Enorm unterhaltsam sind auch die verqueren Charaktere. Xu Zheng ("Lost in Thailand") spielt den fragwürdigen Helden recht
überzeugend, der jedoch kaum eine Wandlung durchmacht. Yu Nan (die es für "The Expendables 2" bereits nach Hollywood geschafft hat), kann da schon eine
facettenreichere Darstellung abliefern. Bei den Bösewichten stiehlt vor allem wieder einmal Huang Bo ("Dearest",
"Cow") die Schau, obwohl Duo Bujie eine besonders schön kaltblütige und unberechenbare Persönlichkeit darstellt. Er war bereits in
"Kekexili: Mountain Patrol" zu sehen, an den "No Man's Land" auch in anderer Hinsicht erinnert. Er beinhaltet
nämlich fast genauso atemberaubende Landschaftsaufnahmen einer Wüste. Kameramann Du Jie holt alle Bildgewalt aus seinen Widescreen-Aufnahmen heraus und
erweckt die Wüste Gobi als zusätzlichen Darsteller zum Leben.
Auf technischer Ebene überzeugt der Film aber auch mit seinen tollen, staubigen Sets und den dreckverkrusteten Kostümen. Zu der Western-Atmosphäre dieses Thrillers trägt auch ein sehr gelungener Soundtrack bei. Und das Schöne ist, dass "No Man's Land" oft an einen Western erinnert, obwohl Regisseur Ning Hao nicht krampfhaft versucht einen daraus zu machen! Alles fühlt sich natürlich an und das Drehbuch ist trotz sechs (!) Schreiberlingen schlüssig und schlau! Die Gesellschaftskritik ist toll verpackt und immer neue Wendungen sorgen für nonstop Spannung. Dass "No Man's Land" nach so vielen erzwungenen Revisionen immer noch einen solch gelungenen Rhythmus aufweisen kann, ist wahrlich erstaunlich. Selbst der nicht ganz passende Epilog und der Umstand, dass man einfach nicht zu hundert Prozent emotional mit den stark fehlerhaften Charakteren mitfiebern kann, ändern nichts daran, dass "No Man's Land" einer der besten Filme aus China in den letzten Jahren ist, sowohl hinsichtlich seines Unterhaltungswerts als auch seiner Botschaft.