Story: Lucy Mirando (Tilda Swinton) ist Chefin der Mirando Corporation, eines großen Fleischverarbeitungsunternehmens. Sie möchte das Ansehen ihrer
Firma verbessern und stellt die Entwicklung eines Superschweins vor, das den Hunger auf der Welt stoppen soll und gleichzeitig die Umwelt schont. Die Presse ist
begeistert, auch wenn das erste Superschwein erst in zehn Jahren vorgestellt wird. Lucy hat bis dahin einige Schweine über die ganze Welt verteilt an Bauern gegeben
und hält unter ihnen einen Wettbewerb ab. Wer nach zehn Jahren das größte Schwein großgezogen hat, gewinnt. Mija (Ahn Seo-hyeon) lebt mit einem solchen Schwein, das sie
Okja genannt hat, und ihrem Großvater zusammen. Am Ende des Wettbewerbs kommt ein Vertreter der Mirando Corporation, Dr. Wilcox (Jake Gyllenhaal), und begutachtet das
Schwein. Als Gewinner soll es aus Södkorea nach Amerika gebracht werden. Mija ist jedoch dagegen und versucht alles zu tun, um Okja wieder bei sich auf
dem Berg zu haben. Unerwartet kommen ihr Jay (Paul Dano) und K (Steven Yeun) zu Hilfe, die für die Befreiung der Tiere kämpfen. Sie planen, Okja mit einer Kamera
auszustatten und die Welt über die tatsächliche, grausame Realität der Fleischverarbeitung aufzuklären. Mija ist damit nicht einverstanden, doch K nimmt die Entscheidung
in die eigene Hand.
Kritik: Diese Kritik wird weitaus kritischer ausfallen, als man das bei diesem hochgelobten satirischen Drama erwarten dürfte. Dem will ich daher
voranschicken, dass "Okja" zweifellos ein guter Film ist. Er hat allerdings auch mit einigen Problemen zu kämpfen, die mich einfach nur den Kopf darüber schütteln
lassen, dass manche professionelle Kritiker - wie auch immer man das definieren mag - "Okja" als einen ungemein tiefsinnigen Film anpreisen. Tatsächlich war ich
etwas schockiert darüber, wie flach der Film in seiner Gesellschaftskritik ausfällt. Daneben tauscht Regisseur Bong Joon-ho Subtilität gegen karikative Charaktere
und einen Vorschlaghammer ein, mit dem er eine Fabel über die Freundschaft eines Mädchens zu einem computeranimierten Tier als guten Grund für den Verzicht auf
Fleisch in die Köpfe der Zuschauer hämmern will. Das ist dann doch etwas zu wenig...
Man liest immer wieder, dass man nach diesem Film vermutlich seinen Fleischkonsum einschränken oder sogar ganz aufgeben wird. Daher habe ich auf grausame Schlachtungen
oder Ähnliches getippt, mit denen einen Bong schockieren will. Es mag zwar ähnliche Szenen geben, doch sind diese entgegen der Erwartungen keineswegs so hart, wie man
es in jeder x-beliebigen Dokumentation über das Thema oder den Facebook-Posts radikaler Vegetarier/Veganer zu sehen bekommt. Vielleicht ist es aber falsch, Bong eine gewisse Plattheit bzw. Naivität vorzuwerfen, mit der er den Zuschauer über die Gräueltaten der Massentierhaltung aufklären will. Meiner Meinung nach ist das alles mehr als bekannt und
da ich persönlich nicht vollständig auf Fleisch verzichten möchte, esse ich Fleisch nur bewusst und in Maßen. Etwas, was ich von jedem anderen auch erwarten würde.
Möglicherweise ist aber nicht jeder so weit und es bedarf eines Films wie "Okja", um auch noch den letzten wachzurütteln.
Meine Kritik ist daher, dass Bong nicht weit genug geht und nur an der Oberfläche kratzt. Letztendlich geht er manchmal so vorsichtig mit dem graphischen Material um,
dass man meinen könnte, es handele sich um einen Familienfilm oder gar einen für Kinder, wenn da nicht die vielen Schimpfwörter wären. Eine gewisse, fast schon billig
anmutende Rührseligkeit, wie sie obligatorisch ist, gibt es dann zum Finale hin und schon die erste halbe Stunde, in der das Verhältnis zwischen Mija und Okja erforscht
wird, lässt diesen Moment erwarten. Zu lang ist die Einführung darüber hinaus auch noch. Ahn Seo-hyeon ("Monster") zeigt zwar die bäuerliche
Verbissenheit und Liebe, die es nachvollziehbar macht, warum sie Okja bis ans andere Ende der Welt nachjagt, aber mehr ist da in Mijas Charakter auch nicht, mit dem sie
arbeiten kann. Und die fast schon menschliche Intelligenz, mit der Okja ihr zu Beginn das Leben rettet sowie ihre klugen Hundeaugen, zeigen eine zu starke Vermenschlichung
des mutierten Tiers, als hätten Bong und sein Co-Drehbuchschreiber Jon Ronson nicht genug Vertrauen in ihre Geschichte gehabt und darin, dass man auch ohne solche
Mittel ein starkes emotionales Band zu Okja entwickeln kann.
Bong Joon-ho hat bereits mit "The Host" ein mutiertes Tier, dort jedoch ein Monster, auf die Leinwand gebracht, der Film war aber weitaus wärmer und
subtiler, speziell in seiner Gesellschaftskritik. Mit "Snowpiercer" hat sich der Regisseur auch schon auf internationales Gebiet begeben und dort zwar etwas direkter Kritik am Klassensystem geäußert, das aber in einer einheitlich wirkenden Geschichte. "Okja" alterniert zwischen tragischem Drama, grausamen konzentrationslagerartigen Räumen und abgedrehter Satire. Das passt einfach nicht immer. Bongs Humor ist sehr speziell und Tilda Swinton konnte diesen schon in "Snowpiercer" gut tragen. Jake Gyllenhaal ("Southpaw") ist in seiner Rolle des abgedrehten Tierliebhabers, der seine Seele verkauft hat und darunter leidet, kaum wiederzuerkennen, aber trotz des
Spaßes, den diese Rollen versprühen, wirkt "Okja" dadurch unnötig platt. Die Abstrusität wird nicht intelligent genug eingesetzt, um mit ihr den Wahn der Firmenpolitik
gewisser CEOs einzufangen.
Bong nimmt auch etwas zu lehrerhaft und damit vielleicht auch zu naiv (?) die Position der rechtschaffenen Tieraktivisten ein. Dabei haben wir in der Gruppe die interessantesten Charaktere, u.a. gespielt von Paul Dano ("12 Years a Slave") und Steven Yeun ("The Walking Dead"). Und die Szene, in der einer der Mitglieder so extrem ist, dass er sich fast zu Tode hungert, ist einer der selbstkritischsten und damit erfolgreichsten des Films. Man hätte sich bei "Okja" mehr Differenziertheit gewünscht. Stattdessen gibt Bong eine zu idealistische und damit auch etwas platte Botschaft mit auf den Weg. Vielleicht ist das aber auch manchmal einfach nötig? "Okja" bleibt am Ende ein bunter Film, der zwar etwas uneinheitlich im Ton wirkt, aber niemals auseinanderfällt und das Herz am rechten Fleck hat. Von der etwas langen Einleitung abgesehen gibt es auch keine Längen und die ungewöhnlichen, manchmal etwas zu absurden Charaktere sorgen auch für Spaß. Ein Film, wie ihn jedenfalls nur Bong drehen kann, und das alleine kann schon nicht negativ sein. Schön, dass er mit Netflix jetzt eine Spielwiese gefunden hat, auf der er seinen besonderen Stil auch einem internationalen Publikum zeigen darf.