Story: Der Kampfkunstmeister Gong Yutian (Wang Qingxiang) aus dem Norden will in den Ruhestand gehen und einen letzten Kampf gegen einen
Meister aus dem Süden führen. Schnell ist man sich einig, dass dafür nur Ip Man (Tony Leung Chiu-Wai) in Frage kommt. Ip ist aber nicht interessiert, zumal
er einige Meister über sich stehen hat, denen diese Ehre zuteil werden sollte. Schließlich tritt er doch an und besiegt den Meister dank seiner inneren
Stärke und Weisheit. Die Tochter des Meisters, Gong Er (Zhang Ziyi), ist jedoch gar nicht zufrieden mit dieser Niederlage und fordert Ip Man heraus.
Bestimmte Umstände führen zu ihrem Sieg, doch in dem Kampf hat sich zwischen den beiden Kontrahenten ein gegenseitiges Interesse entwickelt. In den folgenden
Jahren verliert Ip Man sein Hab und Gut durch die einmarschierenden Japaner, während Gong Er Rache an Ma San (Zhang Jin) schwört, dem früheren
Meisterschüler ihres Vaters, der die Familie verraten hat. Dieser Schwur beinhaltet, dass sie niemals heiraten oder ihre Kampfkunst weitergeben
darf. Selbst Jahre später sehnt sich Ip Man aber danach, noch einmal ihre Kampftechnik sehen zu dürfen. Oder zumindest Gong Er selbst...
Kritik: Bereits lange bevor sich jeder zweite Film aus China/Hong Kong um die Kampfkunstlegende Ip Man drehte, gab Regisseur Wong Kar-Wai
seine Pläne bekannt, ein Bio-Pic über den Mann zu drehen, der Wing Chun bekannt gemacht hat. Zehn Jahre lang hat es gedauert, bis der Film auf die
Leinwand kam und irgendwie ist "The Grandmaster" daher auch eine kleine Enttäuschung. Bei genauerer Betrachtung gibt es dafür aber nur wenige Gründe, vielmehr
waren die Erwartungen mit der Zeit wohl einfach ins Astronomische getrieben worden. Wong Kar-Wai liefert einen außerordentlichen Kampfkunstfilm ab, der
nichtsdestotrotz das gemächliche Tempo des Regisseur beibehält und ein paar tiefgründige Motive in die Geschichte einwebt. Damit sollte er sowohl
Kampfkunst-Enthusiasten als auch Art-House-Fans für sich gewinnen können.
Zuschauer, die vertraut mit Wongs bisherigen Filmen wie "Chungking Express" oder "Days
of Being Wild" sind, werden schnell alte Motive wiedererkennen, von denen Wong nicht loskommt. Es sind vor allem jene kurzen Begegnungen, die uns auch
Jahre später nicht loslassen, und Chancen, die man nicht genutzt hat. Eine gewisse Melancholie oder gar Depression, da die Charaktere ihre Taten oder
Nicht-Taten bereuen, durchzieht damit den gesamten Film. Im Kern ist "The Grandmaster" aber eigentlich eine Liebesgeschichte, auch wenn diese so sehr angedeutet
bleibt, dass man sie nicht immer ernst nehmen kann. Leider stimmt auch die Chemie zwischen Zhang Ziyi und Tony Leung nicht. Allerdings dürfte das zum großen
Teil die Schuld des Drehbuchs sein, denn sonderlich gut ausgearbeitet sind die Charaktere nicht.
Um diese Behauptung zu untermauern, muss angemerkt werden, dass es nicht reicht, die Protagonisten oft nachdenklich in die Ferne starren zu lassen, um ihnen
Farbe zu verleihen. Es muss auch mal gesagt werden, dass solche Szenen gerade in "The Grandmaster" oft sehr langatmig sind und nicht immer einen Zweck erfüllen.
Darüber hinaus ist die Geschichte häufig auch sehr verworren erzählt. Rückblicke, plötzliche Schnitte, neu vorgestellte Charaktere, die wichtig sein könnten oder
auch nicht, das alles soll "The Grandmaster" komplexer wirken lassen als er ist. Selbst in der längsten Fassung aus China mit 130 Minuten erscheint der
Charakter des Razor, durch den in einer Szene Zhang Ziyi und Chang Chen nach "Tiger and Dragon" wieder auf der
Leinwand vereint werden, äußerst nutzlos, übrigens genauso wie Song Hye-Kyo als Ip Mans Frau. Immerhin sehen wir Chang auch in einer Kampfszene, in der er
zeigt, dass sein Bajiquan, welches er für den Film gelernt hat, extrem gut ist (er gewann sogar einen nationalen Preis damit bei einem Wettbewerb!).
Die Überfrachtung mit Charakteren, von denen einige nur lose Bekanntschaften bleiben, erweist sich also als problematisch. Willkommen ist dagegen, dass die
Geschichte mühelos zuweilen Jahrzehnte überspringt, wir die politischen Geschehnisse im Land, wie den Einmarsch Japans, zwar mitbekommen und dieser auch
Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat, diese aber vergleichsweise stark im Hintergrund bleiben. Neben der nicht ganz funktionierenden Liebesgeschichte
ist es aber auch etwas merkwürdig, dass Ip Man nicht zu altern scheint, während Zhang Ziyi ("The Banquet") es alleine durch ihr
Schauspiel vermag, ihren Charakter wie eine vom Leben gezeichnete müde Greisin wirken zu lassen. Daneben gibt es ein paar Lebensweisheiten, die von der
Kampfkunst auf das Leben übertragen werden können und zuweilen auch zuerst einiges an Interpretationsarbeit benötigen. Das Ende mag deshalb vielleicht auch
für manche Zuschauer etwas frustrierend sein.
Die Kämpfe in "The Grandmaster" sind eine Augenweide, daran besteht kein Zweifel. Aber hier liegt auch ein großer Kritikpunkt verborgen, denn dass die Kämpfe
wie Kunst aussehen sollen, ist viel zu offensichtlich. Kämpfe im Regen, im Schnee, zu drei Vierteln in Zeitlupe eingefangen, damit macht man es sich einfach
zu leicht. Originalität sieht anders aus. Kann man damit noch jemanden beeindrucken? Ja, wenn man Choreograph Yuen Woo-Ping an Bord hat, der es versteht der
Kameraführung des Regisseurs und seinem Sinn für Ästhetik das nötige Fundament an Kampfkunst zu geben. Das Highlight stellt übrigens kein Kampf mit Ip Man
dar - Tony Leung gibt hier eher eine "nur" gute Darstellung ab, das geschulte Auge sieht einfach, dass er kein Kampfkünstler ist -, sondern jener zwischen
Zhang Ziyi und Zhang Jin an einem Bahnhof mit viel Dampf, Licht, das ständig blendet, und Schnee.
Letztlich bleibt "Ashes of Time" immer noch Wong Kar-Wais bester Kampfkunstfilm, auch wenn "The Grandmaster" wesentlich
mehr Kampfkunst bietet. Die technische Umsetzung ist trotz allem äußerst gelungen und am Ende hat man das Gefühl, dass Wong durch seine Erfahrungen gereift
ist und sich von dem, was wir von ihm gewohnt sind, schließlich doch etwas distanziert. Zum Guten als auch zum Schlechten, aber es bedeutet auf jeden Fall,
um es mit den Worten von Gong Ers Vater zu sagen, dass er nicht das Stehenbleiben, sondern das Voranschreiten gewählt hat.