Story: Yuji Akahoshi (Go Ayano) arbeitet für eine Fernsehshow, aber sein Job ist so unbedeutend, dass er meistens nur in den sozialen Medien unterwegs ist und Nudel-Restaurants bewertet. Eines Tages meldet sich jedoch eine Bekannte, Risako Kano (Misako Renbutsu), bei ihm und erzählt, dass sie mehr über das Mordopfer weiß, das überall in den Nachrichten ist. Es handele sich bei ihm um ihre Kollegin Noriko Miki (Nanao). Sie wurde mit mehreren Messerstichen getötet und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt in einem Wald gefunden. Die Polizei hat bereits Risako verhört und nun will sie auch Yuji alles erzählen, was sie weiß. Sie ist nämlich fest davon überzeugt, dass ihre Kollegin Miki Shirono (Mao Inoue) den Mord begangen hat. Noriko und Miki haben gleichzeitig in der Firma angefangen und alle haben Noriko wegen ihrer Schönheit und ihrem freundlichen Charakter gemocht. Miki ist dagegen eine Einzelgängerin und hat schon öfter durch eigenartiges Verhalt auf sich aufmerksam gemacht. Risako glaubt, dass das Motiv für den Mord Eifersucht war. Denn Miki hat für einen Kollegen Lunchboxen vorbereitet und wollte ihm auf diese Weise näherkommen. Das wäre ihr auch geglückt, wenn da nicht Noriko gewesen wäre, die ihr letztlich den Kollegen vor der Nase weggeschnappt hat. Yuji macht sich nach diesen Informationen daran, weitere Kollegen des Opfers zu interviewen und präsentiert seine Recherchen den Zuständigen bei seiner Fernsehshow. Dort ist man begeistert und strahlt bald die Sendung über die vermeintliche Täterin aus, die überdies vom Erdboden verschluckt ist. Bald sickert die Identität der Verdächtigen im Internet durch und es werden Stimmen laut, die ein anderes Bild von dem Fall zeichnen.
Kritik: Auch wenn es sich bei der Geschichte augenscheinlich um einen Krimi handeln mag - der Titel lässt auch kaum einen anderen Schluss zu -, ist "The Snow White Murder Case" weit mehr als das. Es geht um die Meinung der Menschen, die durch die klassischen Medien, aber eben auch die sozialen Medien geformt wird und die bereits schuldig sprechen kann, bevor überhaupt alle Fakten auf dem Tisch liegen. Zufällig behandelte einer der zuletzt von mir gesichteten Filme, "Golden Slumber", nebenbei ebenfalls jenes Thema und das japanische Original wurde von Regisseur Yoshihiro Nakamura, der sich nun auch für "The Snow White Murder Case" verantwortlich zeichnet, auf die Leinwand gebracht. Vermutlich hat er ein Auge dafür, Gesellschaftskritik in seine Filme einzuweben, er ist aber vor allem der Regisseur des fantastischen "Fish Story" und mit diesem Werk teilt die hier erzählte Mordgeschichte die Liebe zu einer epischen Geschichte, die mit Menschen und Emotionen arbeitet, auch wenn das zunächst nicht den Anschein hat.
Die Geschichte, die auf einem Roman von Kanae Minato basiert, ist nicht perfekt erzählt, denn die Ereignisse fühlen sich manchmal etwas auseinandergerissen an. Das betrifft speziell das letzte Drittel, als wir noch einmal einen Perspektivwechsel bekommen und uns langsam der Wahrheit nähern. Immerhin reißt einen dieser nicht wirklich aus dem Film. Der Grund dafür ist, dass von Anfang an bereits mit dem Medium Film, Dokumentation und Interviews gespielt wird. Besonders gelungen ist dabei, wie uns bereits bekannte Informationen noch einmal in Form einer für das Fernsehen produzierten "True Crime"-Show neu präsentiert werden, inklusive nachgestellter Szenen, schlecht verschleierten Gesichtern von Interviewten, dramatischer Musikuntermalung und im unteren Bildrand eingeblendeten Gesichtern der Moderatoren, um ihre kaum wahrnehmbaren Reaktionen einzufangen. Damit wird sich sehr gelungen über das TV-Programm Japans (und nicht nur des dortigen) lustig gemacht und bei dem Mangel an stichhaltigen Beweisen auch ein ziemlich schlechtes Bild der Medien gezeichnet.
Wie gesagt kommen aber auch die sozialen Medien nicht gut weg. Noch während des Telefongesprächs tippt Yuji in ein soziales Netzwerk, ohne Recherche oder irgendwie zu filtern, seine neuesten "Erkenntnisse" und die Meinung seiner Follower ändert sich ständig, Namen, Adressen usw. werden ausfindig gemacht und geteilt, aber man bekommt das Gefühl, dass das Ganze sogar fast etwas zu seicht porträtiert wird, da heutzutage Twitter & Co. um einiges extremer sind. Es handelt sich nicht nur um eine kurzzeitige Spielerei, sondern Yuji tippt ständig irgendetwas und so muss man nicht nur den Gesprächen zuhören, sondern auch viel lesen. Die Interviews sind auch ein interessanter Aspekt, denn diese dienen uns als Pforte in diverse Rückblenden, bei denen uns anhand geschickter, kleiner Unterschiede klar wird, dass die Erinnerungen der einzelnen Personen keinen alleinigen Wahrheitsanspruch haben können - bei den Unterschieden handelt es sich manchmal auch nur um das, was Miki im Restaurant in einer bestimmten Szene in den Händen hält oder wie viele Stufen sie am Bahnhof auf einmal nimmt.
Viele Überschneidungen gibt es aber nicht, sodass der Film nie langweilig wird. Vieles von dem Gezeigten ist auch aus dem Kontext gerissen und von persönlichen Meinungen gefärbt. Daher ist es besonders interessant, wie sich das Bild, das man sich von einer Person gemacht hat, mit der Zeit radikal ändern kann. Besonders Mao Inoue überzeugt dabei in ihrer Rolle als Miki. Bald entpuppt sich die Geschichte auch als eine über das Mobbing am Arbeitsplatz. Und schließlich tauchen wir sogar in die Vergangenheit von Miki ab, als eine ihrer Schulfreundinnen interviewt wird. Dabei geht es dann auch um Mobbing an der Schule, Freundschaft und ein Ereignis, dass diese Freundschaft auseinanderbringt. Das ist alles viel Material und als wir dann auch noch die Ereignisse direkt aus der Perspektive von Miki zu sehen bekommen, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass der Film auseinanderbricht, weil er in so viele Richtungen geht. Aber das geschieht nicht, weil die Geschichte im Kern von Miki handelt und wir langsam herausfinden, was für eine Person sie ist, wie sie zu dieser geworden ist und ob sie zu einem Mord fähig ist.
Die Geschichte wird zum Ende hin sogar recht emotional und das macht sie persönlicher, als man es anfangs für möglich gehalten hat. Go Ayano ("Ajin: Demi-Human") bleibt als Reporter leider etwas flach und er dient hauptsächlich dem Zweck, das Bindeglied zwischen den einzelnen Rückblenden zu sein. Aber zumindest das gelingt, denn sonst wäre der Film mit seinen vielen Teilen auseinandergebrochen. Obwohl am Schluss alles gut zusammenhält und die Geschichte durch ihre verschiedenen Perspektiven und auch tonalen Unterschiede fast schon etwas Episches einer Biographie bekommt, bleiben diese Aspekte auch Kritikpunkte. Ist der Film am Ende der gleiche wie zu Beginn? Die Nahtstellen sind doch etwas zu offensichtlich. Aber das soll keineswegs geringreden, was für eine Achterbahnfahrt "The Snow White Murder Case" ist und wie gelungen die verschiedenen Genres im Grunde durchmischt werden. Ein herausragender Film, der stets spannend bleibt und am Ende auch etwas für das Herz bietet, ohne jemals kitschig zu werden.