The Witness

Story: Sang-hoon (Lee Sung-min) ist mit seiner Frau Soo-jin (Jin Kyung) und seiner kleinen Tochter gerade in ein neues Apartment eingezogen. Daher lädt er seine Arbeitskollegen zum Trinken ein und kommt erst spätnachts nach Hause. Da hört er plötzlich draußen einen Schrei. Als er aus dem Fenster sieht, wird er Zeuge, wie ein Mann mit einem Hammer eine Frau direkt vor seinem Apartmentkomplex erschlägt. Da seine Frau aufwacht und das Licht einschaltet, bekommt der Killer mit, dass ihn jemand gesehen haben könnte. Sang-hoon schaltet das Licht schnell aus und erzählt seiner Frau nicht, was er gerade gesehen hat. Am nächsten Morgen wird die Leiche der Frau entdeckt. Die Polizei ermittelt in dem Fall unter der Leitung von Detective Jang (Kim Sang-ho), aber die Bewohner der umliegenden Apartmenthäuser wollen nichts gesehen haben. Sang-hoon ist derweil fest davon überzeugt, dass ihn der Killer verfolgt. Er schweigt aber auch weiterhin weil er seine Familie beschützen will. Detective Jang ahnt aber, dass etwas nicht stimmt und lässt nicht locker. Der Killer beschattet derweil Sang-hoon und seine Familie. Er wartet nur darauf, dass der Zeuge den Mund aufmacht. Es zeigt sich jedoch, dass Sang-hoon nicht der einzige war, der den Mord gesehen hat, und wie der Killer mit Zeugen verfährt, die zur Polizei wollen, bekommt Sang-hoon bald aus nächster Nähe zu sehen...

Kritik: Um ehrlich zu sein, kann die Prämisse dieses Thrillers nicht wirklich Interesse erzeugen, wenn man sie liest. Zu viele Filme mit dem gleichen Ausgangspunkt hat man schon auf die Leinwand gebracht und so ist es eigentlich nur den generell eher positiven Wertungen zu verdanken, dass der Film es auf meine Liste der bald zu sehenden Filme geschafft hat. Und "The Witness" hat tatsächlich einen Aspekt, der ihn von ähnlichen Produktionen abhebt: Er kritisiert unsere Gesellschaft, in der jeder für sich lebt und man auf sein eigenes Wohl bedacht ist. Inspiriert wurde der Film durch ein reales Ereignis 1964 in New York City, doch die besondere Note, die der Regisseur seinem Thriller verleiht, indem er die Ängste der Wohnungsbesitzer in den Mittelpunkt rückt, der Wert ihres Eigentums könnte fallen, ist sehr spezifisch für Korea und wurde auch schon mehrfach in anderen Filmen aufgegriffen. Im Endeffekt ist es dann vor allem aber der wenig sympathische Protagonist, der dem Film etwas Außergewöhnliches verleiht.

Vielleicht sollte aber zunächst darauf eingegangen werden, was mich an den meisten Thrillern dieser Art extrem stört. Die Protagonisten verhalten sich oft unlogisch und so ängstlich, dass der Killer fast schon übermenschlich wirkt. In vielen Fällen könnte dem Täter sehr leicht das Handwerk gelegt werden, wenn der Held der Geschichte einfach mal den Mund aufmachen würde. "The Witness" hat mit dem gleichen Problem zu kämpfen und speziell in einer Szene, in der Sang-hoon von einem Polizisten befragt wird, ob es ein Problem gibt, während der Killer im Hintergrund lauert, fragt man sich, warum der Familienvater nichts sagt und die ganze Sache endlich beendet. Viele der Szenen wirken auch ziemlich konstruiert und Zufälle häufen sich immer weiter und offenbaren die Schwächen des Protagonisten, sodass dieser eigentlich unausstehlich wird. Während die Kritik am Drehbuch und an den für das Voranschreiten der Geschichte äußerst zweckdienlichen Zufällen nicht entkräftet werden kann, verhält es sich mit dem anderen Kritikpunkt etwas anders.

Sang-hoon soll nämlich wenig sympathisch wirken, ohne ein Unmensch zu sein. Er ist ängstlich und so schreckhaft, dass darauf auch einige der für Thriller typischen Schreckmomente aufbauen. Dass der Mann dadurch auf den Ermittler ziemlich verdächtig wirkt, sollte auch nicht verwundern. Im Endeffekt ist es aber schwierig sich mit Sang-hoon zu identifizieren, weil er ein Feigling ist, dessen Nichteingreifen dazu geführt hat, dass ein Mädchen getötet wurde. Damit steht er nicht alleine dar, denn "The Witness" will die mangelnde Zivilcourage und den Zuschauereffekt beleuchten, bei dem man sich um seine eigenen Dinge kümmert und so tut, als würde man von anderen Dingen nichts mitbekommen, selbst wenn sie direkt um einen herum geschehen. Das geht sogar so weit, dass die Bewohner des Apartmentkomplexes von Wohnung zu Wohnung gehen, damit jeder eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet. Niemand soll der Polizei etwas erzählen, selbst wenn man den Mord beobachtet haben sollte.

Der Ruf ist alles, vor allem wenn durch schlechte Nachrichten der Wert der eigenen Immobilie fällt. Eine Bewohnerin schimpft sogar mit einem Mann, der mit Steckbriefen seine verschwundene Frau sucht, weil das ein schlechtes Licht auf die Gegend wirft. Währenddessen stehen etliche weitere Nachbarn schweigend, aber anklagend ebenfalls dem Mann gegenüber. Eine Szene, welche die verkommene Moral widerspiegelt, in der sich jeder selbst der nächste ist. Sang-hoon ist nicht anders und wäre er kein Feigling gewesen, würde das getötete Mädchen noch leben. Natürlich erhofft man sich eine Art der Katharsis, denn sonst könnte man diesem Mann nicht weiter folgen, aber bis es dazu kommt, beweist er nur immer weiter, was für ein Heuchler er ist. Ein schlechtes Gewissen sucht man bei ihm lange Zeit vergebens. Darsteller Lee Sung-min ("The 8th Night") hat eine wahrlich undankbare Aufgabe, aber er meistert sie solide und sorgt dafür, dass wir den Protagonisten nie gänzlich aufgeben.

Die Einstellung und Opfer-Mentalität des Protagonisten lässt den Killer, über den wir eigentlich gar nichts erfahren, übermächtig erscheinen, was dekonstruiert wird, als er selbst von einer schmächtigen Frau ernsthaft verletzt wird. Parallel laufen natürlich die Ermittlungen weiter und Detective Jang, sympathisch von Kim Sang-ho ("The Golden Holiday") porträtiert, dient uns als Anker, der uns die Hoffnung nicht verlieren lässt, dass der Killer vielleicht doch noch seine gerechte Strafe bekommt. Technisch kann Regisseur Jo Kyoo-jang ("Mood of the Day") alle Boxen abhaken, die bei einem Thriller von Belang sind, nur ein paar unnötige Schreckmomente fallen leicht negativ auf. Das Finale fällt überdies etwas eigenartig aus. Positiv ist dagegen die letzte Szene, die uns noch einmal klarmacht, dass "The Witness" nur oberflächlich ein typischer Thriller ist. Eigentlich will man hier eine Botschaft vermitteln und die letzte Szene vermag das sehr effektiv. Auch wenn sich der Film also wie ein 08/15-Thriller anhören mag, kann der sozialkritische Ton "The Witness" zu einem gelungenen Genre-Eintrag machen.

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