Story: Soo-rin (Sin Eun-soo) hat ihre Mutter verloren und lebt zusammen mit ihrem Stiefvater. Als dieser für seinen Job auf eine Insel zieht,
um dort beim Bau eines Tunnels zu helfen, fühlt sich das Mädchen noch einsamer als zuvor. An ihrer neuen Schule wird sie wegen ihrer blühenden Fantasie, der
sie in einem Blog freien Lauf lässt, von ihren Mitschülern als eigenartig eingestuft. Nur der kleine Seong-min (Lee Hyo-je), ein Waisenkind, das auf die gleiche
Schule geht, freundet sich mit ihr an und empfindet tiefe Gefühle für sie. Als Seong-min mit ein paar anderen Jungs durch die Absperrung des Baugebiets dringt,
um bei einer der Sprengungen für den Tunnel zuzusehen, nimmt er auch das Mädchen mit. Die Gruppe findet unter einem Baum eine verborgene Höhle, in deren
Inneren sie ein leuchtendes Ei findet. Seong-min hat von seinem Großvater gehört, dass dieses Ei einen Goblin beherbergen soll, der die Zeit stiehlt. Als
Soo-rin nochmal in die Höhle geht, um eine verlorene Haarklammer zu suchen, zertrümmern die Jungs das Ei. Nachdem das Mädchen aus der Höhle kommt, ist niemand
mehr da. Die Polizei sucht nach den vermissten Jungs und findet die Leiche von einem von ihnen. Kurz darauf kontaktiert ein eigenartiger Mann (Gang Dong-won)
Soo-rin und ruft damit die Polizei auf den Plan. Doch der Mann gibt sich als Seong-min aus, der über Jahre in einer Zeitblase gefangen war...
Kritik: "Vanishing Time" ist ein Film, den man gesehen haben sollte. Nach solchen Versprechungen anderer Kritiker muss man fast schon mit
einer Enttäuschung rechnen. Aber auch wenn dieses Fantasy-Drama ein paar holprige Stellen hat, muss man einfach den Ideenreichtum der verschiedenen Motive
und der Geschichte im Gesamten loben. Wir bekommen hier nicht einfach platte Fantasy als Aufhänger für eine Liebe, die Jahrzehnte überdauert, sondern eine
zum Nachdenken anregende Geschichte, die subtil verschiedene Elemente miteinander verwebt und sogar Spielraum für unterschiedliche Interpretationen lässt.
Wer Filme aber lieber mit einem runden Ende mag, kann "Vanishing Time" auch einfach nur so verstehen, wie wir ihn auf dem Bildschirm zu sehen bekommen.
Mit anderen Worten beweist der Film, dass aus Korea immer noch ideenreiche Filme kommen können.
Es ist wahrlich beeindruckend, was Regisseur Eom Tae-hwa in seinem Debütwerk auf die Beine stellt. Sowohl hinsichtlich der Geschichte als auch der visuell
ansprechenden und verträumten Bilder. Speziell aber bezogen auf die Grundatmosphäre. Eom Tae-hwa hat bereits hinter der Kamera als Teil des Regie-Teams an Filmen
wie "Epitaph" und Park Chan-wooks "Sympathy for Lady Vengeance" mitgewirkt. Zwei Filme
mit herausragender visueller Ausdrucksstärke. Und eine Parallele zu letzterem Film, in dem ein Schlitten mit einem verstörenden Wesen durch den Schnee gezogen
wird, bekommen wir hier in Form eines Jungen, der an einer Leine wie ein Luftballon hinter sich her gezogen wird. Tatsächlich erweist sich "Vanishing Time"
oft als ein surreales Gemälde, das eine Tür in eine Welt voller Magie eröffnet und dennoch bleibt das Drama auch sehr stark in der Realität verhaftet.
Dementsprechend kann die Geschichte auch recht düster werden. Um diesen Kontrast zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass hier zwei Welten
gegeneinander gestellt werden: die Welt der Erwachsenen und die der Kinder. Kinder sehen durch ihre Unschuld noch die Magie in der Welt und es ist dieses
Kind, das auch noch im erwachsenen Seong-min steckt. Letztlich mag man sich dann aber wundern, dass trotz des Anhaltens von Zeit die Geschichte doch recht
stark in der Realität verweilt. Denn wir bekommen die Geschehnisse auch aus der Perspektive der Erwachsenen zu sehen und dort ist Seong-min eben nicht der
nun um etliche Jahre gealterte Junge, den immer noch eine unschuldige Liebe zu Soo-rin verbindet. Dort ist er ein pädophiler Kindsmörder. Es versteht sich,
dass damit auch der Ton des Streifens recht düster werden kann und manche Szenen zwischen dem erwachsenen Mann und dem dreizehnjährigen Mädchen durchaus sogar
verstörend wirken können.
Es ist in der Tat möglich, den Film auch völlig nüchtern zu verstehen, sodass Soo-rin sich lediglich alles einbildet, was bei ihrer blühenden Fantasie kein
Wunder wäre, und ein pädophiler Mörder dies schlichtweg ausnutzt. Allerdings ist das nicht das Anliegen des Regisseurs. Vielmehr eröffnet Eom eine Welt der
Fantasie und der Freiheit, die uns seit unserem Austritt aus der Kindheit verwehrt bleibt. Dies zeigt sich in der betörenden Atmosphäre des Films, die einen
auch dank des gelungenen Soundtracks in eine andere, magische Dimension mitnimmt. Lob gebührt dabei auch den Darstellern. Sin Eun-soo beeindruckt in ihrer ersten
Rolle enorm und sie verbindet eine gelungene Chemie mit Gang Dong-won ("Master", "The Priests"). So kann
man sich zugleich angesprochen fühlen von ihrer unschuldigen Liebe, die Zeit und Dimensionen überwindet, als sich auch unwohl dabei fühlen, dass die beiden
Händchen halten.
Seong-min ist aber immer noch ein verängstigtes Kind, was nicht überrascht, da er über Jahre isoliert von der Menschheit gelebt hat. Welchen Einfluss das Gefangensein in einer Zeitblase auf die Psyche hat, wird leider nicht so stark beleuchtet, wie es wünschenswert gewesen wäre, und natürlich ergeben sich auch einige Löcher in der Geschichte für all jene, die sich einmal wissenschaftlich mit dem Thema Zeit auseinandergesetzt haben. Dennoch bekommen wir einige beeindruckende und innovative Spezialeffekte zu sehen. Und man liefert uns außerdem noch Material, über das sich nachzudenken lohnt: nicht nur hinsichtlich des Themas Zeit, sondern vor allem dem Kind- und Erwachsenensein und der Welt dazwischen. Genau darum geht es in "Vanishing Time". Ein Film, der uns den Kontrast zwischden diesen Welten, also der Erblindung gegenüber dem Fantastischen im Erwachsenenalter ganz im Sinne von Schriftstellern der Romantik wie Clemens Brentano oder Novalis, zeigt. Dafür gibt es einen klaren Daumen nach oben!