Story: Lee Young-nam (Bae Doo-na) ist Polizistin und wird in ein Dorf strafversetzt. Dort leben fast ausschließlich noch alte
Leute, weil alle jungen in die Großstadt ausgewandert sind. Einzig Park Yong-ha (Song Sae-byuk) hält mit einigen südostasiatischen Arbeitern den Fischhandel
im Dorf aufrecht. Yong-ha hat überdies eine Stieftochter, Do-hee (Kim Sae-ron), der Young-nam immer wieder über den Weg läuft. Anscheinend wird sie von ihrem
Stiefvater geschlagen und auch ihre Mitschüler tyrannisieren sie. Eines Tages taucht sie dann bei Young-nam vor der Haustür auf, weil die Polizistin ihr
zuvor Hilfe angeboten hatte, falls sie wieder geschlagen werden sollte. Doo-hee bleibt für eine Weile bei Young-nam, obwohl die Polizistin selbst einige
Probleme hat und ohne Alkohol abends nicht einschlafen kann.
Yong-ha ist ständig betrunken und auch seine Mutter macht unentwegt Ärger. Allerdings sieht nicht jeder gerne, dass Young-nam in dem Dorf ein wenig aufräumt,
denn Yong-ha und seine ausländischen Arbeiter sind wichtig für das Dorf. Währenddessen sieht Do-hee in der Polizistin nicht nur eine Mutterfigur, sondern eine
starke Persönlichkeit, die ihr Halt gibt.
Kritik: Ein Drama über häusliche Gewalt und Alhoholabhängigkeit kann nicht gerade originell genannt werden, doch "A Girl at My Door" zeigt die
Art von mitnehmendem Drama, das wir aus der Blütezeit des koreanischen Kinos kennen: ungekünstelt und tiefgehend. Darüberhinaus mag der Film zunächst wie
ein Art House Streifen anmuten, beweist aber schon nach kurzer Zeit, dass das Tempo keineswegs so langatmig ist und die Kinematographie außerdem äußerst
gelungen das Ländliche des Drehorts einfängt und dabei nicht zuletzt auch an "Memories of Murder" erinnert. Das mag auch
daran liegen, dass der Film nicht nur ein Drama darstellt, sondern manchmal auch wie ein Mystery-Streifen anmutet. Denn die vermeintlich ruhige Gemeinde
läuft nach ihren eigenen Regeln und duldet nicht gerne Einmischung von außen.
Weiterhin bleiben auch die Charaktere teilweise rätselhaft. Ihre Hintergründe können natürlich nicht vollständig auf dem Bildschirm entfaltet werden, aber ein
wenig mehr Informationen über ihre Vergangenheit wäre dennoch wünschenswert gewesen, gerade im Fall von Young-nam. Do-hee soll dagegen später im Film etwas von
ihrer Unschuld verlieren und undurchsichtiger erscheinen. Das ist eine gewagte Enscheidung, funktioniert allerdings, zumal einiges dann doch der eigenen
Interpretation obliegt. Trotz leichter Mystery-Anleihen bleibt "A Girl at My Door" jedoch eindeutig ein Drama. Dreh- und Angelpunkt stellt dabei die Beziehung
zwischen der Polizistin und dem Mädchen dar. Young-nam ist die erste Person, der sich Do-hee wirklich anvertrauen kann, da sie im Gegensatz zur Dorfgemeinschaft
nicht einfach über die Misshandlungen, die das Mädchen durch ihren Vater erfährt, hinwegsieht.
Die Polizistin stellt für sie nicht lediglich einen Mutterersatz dar, sondern zeigt ihr eine neue Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Sie muss nicht das
schwache Mädchen bleiben, das stets das Opfer ist, sondern kann eines Tages genauso stark und selbstsicher werden wie Young-nam. Hier offenbart sich auch das
inhärente Motiv von Tradition vs. Moderne. Young-nam ist eine Autoritätsperson aus der Großstadt, weshalb sie von der Dorfgenmeinschaft gezwungenermaßen
akzeptiert wird. Aber am liebsten würde man weiter nach eigenen Regeln das Dorf führen. Die illegalen Einwanderer, die mehr oder weniger im Alleingang die
Wirtschaft des Dorfes aufrecht erhalten, sind ein weiterer Aspekt, der Farbe in den Film bringt. Neben dem Drama werden damit gewinnbringend auch Themen wie
Landflucht oder Migration aufgegriffen und schaffen damit ein sehr plastisches Bild des Dorfes, sodass dieses fast wie ein eigenständiger Protagonist des Films
wirkt.
Herz des Films ist aber Bae Doo-na ("Air Doll", "The Host"), die eine sehr vielschichtige Darstellung
abliefert, obwohl sie auf sehr subtiler Ebene arbeiten muss. Ihre Alkoholsucht und deren Hintergründe, ihre lesbische Beziehung, die Homosexualität in Korea zu
einem weiteren Thema des Dramas macht, und ihr Verhältnis zu Do-hee bleiben sehr oft nur angedeutet und verlangen nach einer erfahrenen Darstellerin. Aber nicht
nur Bae Doo-na leistet Großartiges. Auch Kim Sae-ron ("The Man From Nowhere", "A Brand
New Life") hat sehr starke Momente. Dabei kann das Drama auch ziemlich verstörend sein, wie eine Szene zwischen Do-hee und ihrem Ziehvater im Bett
zeigt. Und dabei handelt es sich nicht um die Art der Misshandlung, die man wahrscheinlich bei der Beschreibung der Szene vermuten würde.
Regisseurin Jeong Joo-ri schafft hier ein Drama, das für die Rechte der Frauen eintritt, ohne radikal-feministisch zu wirken. Das subtile Vorgehen der Regisseurin zeigt sich in allen Themen, die sie hier sehr gekonnt miteinander vermischt, wobei sie zu jeder Zeit die Beziehung zwischen Young-nam und Do-hee als Fixpunkt beibehält. Die teilweise friedlichen Aufnahmen von Dorf und Land sind sehr hübsch anzusehen und das Drehbuch hält immer neue Entwicklungen bereit, sodass nie Langeweile aufkommt. Somit wird "A Girl at My Door" auch das Publikum ansprechen können, das sich eher nicht für Art House Filme erwärmen kann. Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass aus spannungstechnischen Gründen gegen Ende künstlich ein Problem kreiert wird, das bei Do-hees Intellekt, der sich im Besonderen bei der Lösung des Problems zeigt, wenig glaubwürdig scheint. Davon abgesehen ist "A Girl at My Door" jedoch ein Drama, dem die Magie jener koreanischen Filme innewohnt, die man heute eigentlich nicht mehr zu sehen bekommt.