Story: Takakura (Hidetoshi Nishijima) zieht mit seiner Frau Yasuko (Yuko Takeuchi) in ein neues Haus. Die beiden wollen sich mit den Nachbarn
anfreunden, aber speziell Nishino (Teruyuki Kagawa) scheint ein äußerst eigenartiger Geselle. Takakura beruhigt aber seine Frau, da die meisten Mörder
tatsächlich nette Nachbarn darstellen. Trotz Nishinos Warnung ihn in Ruhe zu lassen, versucht sie dennoch ihren Nachbarn näher kennenzulernen, während ihr Ehemann
bei seiner Arbeit als Professor für Kriminalwesen an einer Universität über einen interessanten Fall stolpert. Eine Familie ist vor sechs Jahren spurlos
verschwunden und die einzige Überlebende, Saki (Haruna Kawaguchi), hat die Beamten dazu veranlasst, den ungelösten Fall als Mordfall zu kategorisieren. Takakura
will wissen, warum und wird bald von Detective Nogami (Masahiro Higashide) aufgesucht, der ebenfalls an dem Fall interessiert ist. Zusammen verhören sie Saki noch
einmal und bekommen dabei neue Informationen. Derweil sucht Nishino Takakura auf und bittet ihn, dass seine Frau ihn endlich in Frieden lassen soll. Kurz darauf
scheint er jedoch versöhnlicher, isst sogar mit seiner Tochter Mio (Ryoko Fujino) bei Takakura. Nur teilt seine Tochter dem Professor eines Tages plötzlich mit,
dass der Nachbar gar nicht ihr Vater ist...
Kritik: Ein Horrorfilm mit dem Titel "Creepy" kann man wohl schlecht ernst nehmen. Bestenfalls bekommt man einen netten Horrorfilm, der sich
selbst nicht ganz ernst nimmt, denkt man. Doch der Regisseur hinter diesem Streifen ist Kiyoshi Kurosawa. Demnach sollte man einen tatsächlich recht schaurigen
Film erwarten dürfen. Und den liefert der Regisseur auch ab. Es sind aber keine Geister, Zombies, Monster oder mit einer Machete begangene Morde, die hier den
Horror auslösen. Es ist ein einzelner Mann. Ein Nachbar, bei dem man lange nicht weiß, was man von ihm halten soll. Dass aber etwas nicht mit ihm stimmt, wissen
wir sofort. Das Kunststück der Geschichte ist dabei vor allem, dass wir immer ein ganz klein wenig mehr wissen als der Professor. So haben wir auch aus der
Sicht der Ehefrau Einblick in die Psyche dieses Mannes und können uns daher recht früh ein Bild davon machen, dass es sich hier mit Sicherheit um einen
Serienmörder handelt.
Die parallel laufenden Ermittlungen in einem anderen Fall scheinen dabei zunächst so losgelöst von dem Nachbarn, dass wir gar nicht anders können, als direkt
einen Zusammenhang zwischen Nishino und dem sechs Jahre alten Fall herzustellen. Und Überraschungen gibt es an dieser Stelle nicht. Auch die Vorausnahme des
Professors während einer Vorlesung, dass die Kategorie der gleichzeitig planvoll und spontan vorgehenden Serienmörder am schwierigsten zu analysieren ist,
zeichnet bereits die Geschichte vor. Der Horror baut in "Creepy" vielmehr auf einer dichten Atmosphäre auf, indem wir uns psychologischen Abgründen nähern.
Und damit sind interessanterweise nicht einmal die Nishinos gemeint. Die auf einem Roman von Yutaka Maekawa basierende Geschichte hat vor allem jene für
Regisseur Kiyoshi Kurosawa typischen Motive wie Einsamkeit und Leere im Fokus und stülpt diese dem Konstrukt Familie über.
Letzten Endes ist es nicht nur Nishino, der sich eigenartig verhält. Yasuko nähert sich weiter dem Nachbarn, der bereits einige äußerst seltsame Verhaltenszüge
offenbart hat. Yuko Takeuchi ("Be With You", "Strawberry Night") darf zunächst nur die
einfache Hausfrau spielen, doch im Verlauf des Films zeigt sie mehr Aspekte ihres Charakters und mit einer Szene ganz gegen Ende schafft sie auch
den emotional tiefgreifendsten Moment. Hidetoshi Nishijima ("Genome Hazard") liefert auch eine überzeugende Darstellung ab,
lässt aber in den für den Regisseur typischen langen Aufnahmen stark nach. Kiyoshi Kurosawa hat die Tendenz in jenen Szenen die Darsteller irgendwie etwas
eigenartig und künstlich wirken zu lassen, wie bei einem Bühnenschauspiel mit nur halb-professionellen Darstellern. Teruyuki Kagawa
("Rurouni Kenshin", "Kaiji: The Ultimate Gambler") wandelt leichten Fußes auf
der Grenze zum Wahnsinn und darüber hinaus, was besonders beeindruckt, da es seinem Charakter eigentlich an Dreidimensionalität mangelt.
Interessant wird es aber bei der Atmosphäre des Films. Diese ist nämlich keineswegs typisch für die eines Horrorfilms. Aber die Spannung darüber, was wir
noch über die Individuen und ihre Geheimnisse erfahren werden sowie die vielen Rätsel, die sich in der Interaktion zwischen den Nachbarn zeigen, kreieren
eine sehr dichte und gruselige Atmosphäre. Anders als bei Kurosawas "Pulse" ist der Horror nicht in der Einsamkeit einer albtraumhaften
Zwischenwelt angesiedelt, sondern im Zusammenbruch einer Familie, der Entfremdung innerhalb dieser und dem Umstand, dass dies die Familie für jemanden wie
Nishino anfällig macht. Die Bilder werden dabei extrem in den Hintergrund gerückt. Es gibt keine Tricks oder sonstige Schreckmomente, bei denen man
vom Stuhl springen muss. Alles ist sehr nüchtern eingefangen, was den unausweichlichen Keller mit den Plastiksäcken nur umso erschreckender macht.
Da der Film auf einem Mystery-Roman basiert, ist dieser psychologische Horrorstreifen recht geradlinig und bietet auch eine klare Auflösung. Das ist man eigentlich vom Regisseur nicht gewohnt, aber es macht den Film viel leichter zugänglich und kann zudem auch zufriedenstellen. Es gibt ein paar Momente, in denen das Verhalten der Personen vielleicht nicht ganz nachvollziehbar ist oder Erklärungen auf eine allmächtige Droge geschoben werden, aber ein Film hat eben nicht den Rahmen für Erklärungen, den ein Buch hat, und dennoch lässt sich Kurosawa Zeit mit dem Erzählen seiner Geschichte. Das zahlt sich aus und es wird dank einer spannend geschriebenen Geschichte auch nie langweilig. Trotz einiger negativer Seiten - einige Storydetails bleiben auch nach dem Abspann im Verborgenen - handelt es sich hier um einen ungewöhnlichen Horrorfilm, der das Motiv des angsteinflößenden Nachbarn auf gelungene Weise bearbeitet und schönen psychologischen Horror bieten kann.