Story: Für Kapitän Cheol-joo (Kim Yoon-seok) sieht es nicht gut aus. Die Finanzkrise hat ihn schwer getroffen, sein Fischerboot, ein alter,
verrosteter Kahn, gehört ihm bald nicht mehr und irgendwie muss er auch seine Crew versorgen. Also beschließt er einige koreanische Chinesen ins Land zu
schmuggeln. Als er seine Crew mit seiner Entscheidung konfrontiert, sind diese zum Teil nicht begeistert, können aber nichts gegen das Wort des Kapitäns sagen.
Außerdem wissen sie, wie schlecht es momentan um sie steht. Als die Fischer die illegalen Einwanderer aufnehmen, entdeckt das Crewmitglied Dong-shik
(Park Yoo-chun) unter ihnen das Mädchen Hong-mae (Han Ye-ri), in die er sich sogleich verliebt. Der Maschinist Wan-ho (Moon Seong-geun) hat nichts dagegen,
als Dong-shik sie heimlich im warmen Maschinenraum unterbringt, doch auch Chang-wook (Lee Hee-joon) und Kyung-koo (Yoo Seung-Mok) haben einen Blick auf die
Frauen unter den illegalen Einwanderern geworfen, während Ho-yeong (Kim Sang-Ho) versucht, seine Mannschaft dazu zu bringen, sich auf das Wesentliche zu
konzentrieren. Denn jederzeit könnte ein Patrouillenboot am Horizont auftauchen. Doch dann kommt es zu einer Katastrophe, die für die Mannschaft alles
verändert...
Kritik: "Haemoo" ist ein ungewöhnlicher Thriller, der auf veschiedenen Ebenen arbeitet, aber vor allem in die psychologischen Abgründe
von Menschen unter Extrembedingungen blickt. Der geschlossene, obwohl eigentlich offene Raum eines Boots, das durch den Nebel mehr oder weniger von der
Außenwelt in eine Anderwelt transportiert wird - natürlich nur im übertragenen Sinne - schafft dabei einen Rahmen, der dem gezeigten Terror eine trostlose
Note verleiht. Ein geschickt geschriebenes Drehbuch stellt dabei die Charaktere in den Vordergrund sowie den Wahnsinn, in den sie nach einer Katastrophe immer
mehr abgleiten. Unzweifelhaft trägt auch die gute Besetzung zum Gelingen dieses Psychothrillers bei, aber ebenso können die Bilder eine besondere Atmosphäre
erzeugen, die einen sofort gefangennimmt.
Verantwortlich für das Drehbuch sind Bong Joon-ho und Sim Seong-bo, die bereits für "Memories of Murder" die Schreibfeder
in die Hand genommen haben. Während sich Bong auch international durch Filme wie "The Host" und
"Snowpiercer" einen Namen gemacht hat, liefert Sim hier sein Regiedebüt ab. Mit Bong als Produzent an seiner Seite kann aber
eigentlich gar nicht viel schief gehen. So beeindruckt gerade die Eröffnungssequenz, in der wir kurz zusammengeschnitten, aber keinesfalls aufdringlich,
das Leben der Fischer präsentiert bekommen. Nach und nach werden die Bilder passend zur Stimmung immer düsterer, bis sie schließlich richtiggehend beklemmend
werden und zusammen mit dem stets präsenten Nebel einen dezenten Horror versprühen. Dazu trägt ebenso ein gelungener Schnitt und gute Kameraarbeit bei.
Das Leben der Fischer ist ein hartes, das nicht viel Raum für unnötiges Melodrama lässt. Das zeigt schon die desinteressierte Art des Kapitäns, als er
seine Frau mit einem anderen Mann erwischt. Solche Momente sind es aber auch, in denen Bongs zynisch-schwarzer Humor durchscheint. Kim Yoon-seok
("Hwayi: A Monster Boy" , "The Yellow Sea") kann so gut wie alles und jeden spielen,
sodass man sich anfangs nicht sicher sein kann, ob er hier nun einen liebenswerten Fischer spielt, der schlichtweg sehr direkt und zielorientiert ist, oder ob
da noch etwas Dunkleres unter der Oberfläche lauert. Ähnlich ambivalent sieht es bei den anderen Charakteren aus. Irgendwie kann man jeden auf seine Art
liebenswert bezeichnen, aber man kann nicht wissen, welche Abgründe sich unter der Oberfläche noch auftun mögen.
Allerdings hat "Haemoo" das große Problem, dass er ab der Katastrophe, die man von Anfang an erwartet, keine wirkliche Charakterentwicklung präsentiert und
sogar eine große Schwäche offenbart. Denn ein Psychothriller wie dieser braucht stärker ausgearbeitete Persönlichkeiten mit mehr psycholischer Tiefe als das,
was uns hier präsentiert wird. Vor allen Dingen einer der stets notgeilen Fischer verkommt irgendwann nur noch zu einer Karikatur. Aber auch andere Personen
sind unnötig eindimensional, wo sie sich eigentlich durch Komplexität auszeichnen müssten. Auch Park Yoo-chun, der bisher nur in Drama-Serien aufgetreten
ist, kann als Held der Geschichte keine Tiefe beweisen. Und Hong-mae ist lediglich ein wichtiger Anker des Drehbuchs, auch wenn Han Ye-ri
("Commitment") ihr durchaus etwas Farbe verleihen kann. Hier haben die beiden Drehbuchschreiber auf jeden Fall schon Besseres
abgeliefert.
Spannung ist dennoch garantiert, wenn die Menschlichkeit immer mehr aus den Augen verloren wird und irgendwann der Punkt überwinden ist, an dem es noch ein Zurück hätte geben können. Lose auf wahren Begebenheiten beruhend kann "Haemoo" vor allem dank eines sorgfältig kreierten Settings und einer dichten Atmosphäre sowie großartig beklemmender Bilder begeistern. Unter der Oberfläche gibt es auch noch etwas Sozialkritik zu erkennen, schließlich werden die Fischer durch die Finanzkrise und die Abhängigkeit vom IWF zu ihrer Tat gezwungen. Das Finale scheint dann leider doch etwas zu sehr kommerziellen Charakter zu haben, obwohl dies vom Ende selbst nicht unbedingt gesagt werden kann. "Haemoo" zeichnet sich durch seine fantastisch trostlose, beklemmende und spannende Atmosphäre aus, verpasst es aber gerade bei den Charakteren mehr Feingefühl zu zeigen, das nötig gewesen wäre, um dem Thriller mehr Tiefe und Gewicht zu verleihen.