Story: Gil Boksoon (Jeon Do-yeon) arbeitet für eine Vereinigung von Profikillern. Der Chef dieser "Firma" mit dem Namen "MK", Cha Min-gyoo (Sol Kyung-gu), hat für seine Mitarbeiter einige Regeln und ein Rang-System aufgestellt. Boksoon steht ganz oben und erledigt selbst den schwierigsten Auftrag ohne große Mühe. Allerdings ist sie der Schwester des Chefs (Esom), die ebenso eine stellvertretende Führungsrolle innehat, ein Dorn im Auge. Boksoon will eigentlich ihren auslaufenden Vertrag nicht verlängern, da sie sich mehr um ihre Teenager-Tochter Jae-yeong (Kim Si-a) kümmern will, die sich ihrer Mutter gegenüber immer weiter verschließt. Doch ihr Chef will sie unbedingt dazu bewegen, weiterzumachen. Bei ihrem nächsten großen Auftrag entscheidet sich Boksoon aber aus Gewissensbissen dagegen, ihn durchzuführen. Die Schwester des Chefs sieht nun eine Chance, sie endlich gehen zu lassen, aber Cha Min-gyoo kennt die Killerin schon seit Ewigkeiten und setzt alle Hebel in Bewegung, um sie zu schützen. Dadurch kommt es zu einigen unglücklichen Entwicklungen. Während Boksoon versuchen muss, den nächsten Tag zu erleben, verzweifelt sie auch noch an ihrer Tochter, die wegen einer Attacke gegen einen Mitschüler womöglich von der Schule fliegt. Die Tochter hat gegenüber ihrer Mutter mittlerweile eine große Mauer aufgebaut, aber umgekehrt sieht es nicht anders aus...
Kritik: Viel habe ich mir von "Kill Boksoon" nicht versprochen, da einige Kritiker, auf deren Meinung ich etwas gebe, den Film ziemlich enttäuschend fanden. Es gibt wiederum aber auch solche, die absolut begeistert von dem Streifen sind. Nachdem ich mir mein eigenes Bild machen konnte, will ich zunächst die Faktoren ansprechen, die einigen wohl an diesem Netflix-Streifen wenig gefallen haben. Da wäre zum einen die Vermarktung, denn nicht nur der Trailer lässt glauben, dass es sich um einen (Rache-)Actionsteifen handelt, sondern natürlich auch der Titel, obwohl es sich eigentlich nur um ein Wortspiel mit dem Namen der Protagonistin "Gil" handelt. Tatsächlich hat die Heldin aber weniger Probleme mit ihrem Job als mit ihrer Tochter, was den Film die meiste Zeit zu einem Drama macht. Das führt dann eben auch dazu, dass die Geschichte wenig ausbalanciert wirkt. Die nicht wenigen Nebencharaktere lassen den Regisseur ebenso immer wieder ein wenig den Fokus verlieren.
Kommen wir zunächst zur Einleitung, die ein wenig den Ton anzugeben scheint, aber womöglich missverstanden werden könnte. Denn der Auftakt ist kein Verweis darauf, dass wir später zahlreiche Actionszenen zu sehen bekommen, in denen einiges an Blut vergossen wird, sondern vielmehr, dass das Augenmerk auf den Dialogen liegt und wir auch später zuweilen antiklimaktische Auflösungen hinsichtlich der Kämpfe aufgetischt bekommen. Hwang Jung-min ("The Point Men") hat sichtlich Spaß in seinem Cameo und holt in seiner kurzen Zeit auf dem Bildschirm das Möglichste aus seiner Rolle. Ähnliches lässt sich über den Rest der Besetzung sagen. Es gibt viele Nebencharaktere, die erstaunlich plastisch wirken. Das Problem ist leider nur, dass ihnen zwar Zeit zugesprochen wird, sie aber auch einfach wieder verschwinden und keine große Rolle mehr für den Rest des Streifens spielen. Gleichzeitig geht dabei der rote Faden zusehends verloren.
Selbstverständlich gibt es auch einige Actionszenen, die sich sehen lassen können. Dabei kann vor allem Byun Sung-Hyuns ("Kingmaker") innovative Regie punkten, die mal eine Szene in einer Pfütze einfängt, oder sich in einer anderen Actionszene um eine Wand dreht, sodass wir Boksoon und ihrer eventuellen Nachfolgerin im Wechsel dabei zusehen, wie sie jeder für sich, beinahe in einem eigenen Raum, Widersacher ausschalten. Die Action ist leider nicht überaus herausragend, es ist einfach offensichtlich, dass Jeon Do-yeon ("Beasts Clawing at Straws") keine Kampfkünstlerin ist und so werden einige Szenen in schnellerer Geschwindigkeit abgespielt. Die Kamera wackelt aber glücklicherweise nicht umher, um gewisse Mängel zu verschleiern und dankenswerterweise hat die Action ordentlich Power - man spürt die Schläge förmlich und auch bei der Gewalt wird nicht gegeizt, auch wenn das CGI-Blut besser durch praktische Effekte ersetzt worden wäre.
Weiterhin ist eine von Boksoons Stärken ihre analytische Einschätzung des Geschehens. Da bedeutet, dass sie den Ausgang eines Kampfes je nach Strategie voraussehen kann. Das wird als Stilmittel immer wieder herangezogen, um die Heldin im wahrsten Sinne ins Messer laufen zu lassen, nur um uns dann zu zeigen, dass sich alles nur in Boksoons Kopf abgespielt hat. Während des Finales wird das noch einmal auf die Spitze getrieben und man könnte auch das als eher antiklimaktisch beschreiben. Trotz einiger netter Actionszenen ist die Stärke des Streifens aber eindeutig die Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Während einige Entscheidungen der Protagonistin nicht nachvollziehbar sind und das Drehbuch hier mehr hätte leisten müssen - Boksoon will die ganze Zeit einen engeren Draht zu ihrer Tochter aufbauen, doch wenn ihr die Chance auf dem Silbertablett geliefert wird, ignoriert sie diese -, können die schauspielerischen Leistungen zwischen Jeon und Kim Si-ah ("The Closet") zu jeder Zeit überzeugen und ziehen einen in die eigentliche Geschichte des Films. Während das Drehbuch auch an anderen Stellen noch Logikfehler aufweist, sind Mutter und Tochter jedoch gut geschrieben.
Die frustrierte Teenagerin, die zudem lesbisch ist und Angst davor hat, deshalb gemobbt zu werden (in Korea noch ein Problem), und die Mutter, die ihren Job geheim halten muss und deshalb ungewollt Distanz zu ihrer Tochter aufgebaut hat, deren emotionale Wand sie wiederum einreißen möchte, ergibt die eigentliche spannende Dynamik im Film, und die Action wirkt dabei eher wie Füllmaterial. Doch es gibt auch noch die interessante Beziehung zwischen Boksoon und ihrem Boss, gespielt von Sol Kyung-gu ("Yaksha"), die zu erwähnen wäre. Die Emotionen werden in "Kill Boksoon" gut genutzt, um den Zuschauer für die Geschichte zu gewinnen, auch wenn diese mit 137 Minuten vielleicht ein wenig zu lang ausfallen sollte. Das gelungen eingewobene Drama ist auch der Grund, warum der Streifen mich letztendlich überzeugen konnte. Die Geschichte geht manchmal in zu viele Richtungen, aber die Mutter-Tochter-Beziehung erdet den Film und die Action ist ein nettes Bonbon. Man sollte einfach seine Erwartungen anpassen und hier kein "John Wick" erwarten - ein Vergleich, der ohnehin inflationär gebraucht wird. "Kill Boksoon" ist dann ohne weiteres ein empfehlenswertes Action-Drama.