Story: Nachdem die Schauspielerin Jeong Ji-hee (Min Ji-hyeon) Selbstmord begangen hat, entfaltet sich ein großer Skandal. Verantwortlich
für ihre Flucht in den Tod sollen sexuelle Gefälligkeiten sein, die sie für und im Auftrag ihres Regisseurs erweisen musste. Die Staatsanwältin Kim Mi-hyeon
(Lee Seung-yeon) klagt deshalb den Regisseur Choi (Jang Hyuk-Jin), den Geschäftsführer der Filmfirma Gi (Hyoun Sung-Bong) sowie den Chef einer
großen Zeitung, Hyeon Seong-bong (Ki Joo-bong), an. Lee Jang-ho (Ma Dong-seok) hat einst selbst für die Zeitung Hyeons gearbeitet und ist nun freischaffend.
Seine Untersuchungen des Falls bringen die unerfahrene Staatsanwältin in eine immer bessere Position, doch der Verteidiger (Park Yong-soo) ist ein erfahrener
Anwalt, der auch nicht davor zurückscheut, alte Leichen aus dem Keller hervorzuholen, wenn es ihm hilft. Doch Staatsanwältin Kim ist immer verbissener, je mehr
schreckliche Details über den Fall ans Tageslicht kommen. Nach wie vor steht der Fall aber auf wackeligen Beinen. Angeblich soll es ein Tagebuch von Jeong
geben, das in dem Fall die entscheidende Wende bringen könnte.
Kritik: Trotz eines starken Aufhängers kann "Norigae" nicht der mitnehmende Gerichtsthriller sein, der er gerne wäre. Dennoch darf man dem
Film keineswegs seine Stärken absprechen. Die Geschichte, die auf einem wahren Fall beruht, auch wenn dies zu Anfang bestritten wird, hat Tiefe und ist
schockierend in der Art, wie sie präsentiert wird, ohne dass dabei über die Stränge geschlagen wird. Große Schwächen zeigen sich aber auf emotionaler Ebene,
denn dort kann der Film nicht punkten. Es ist keineswegs nötig, den Zuschauer zu Tränen zu rühren, das würde bei der Geschichte sogar äußerst billig wirken,
aber dass man mit keinem der Charaktere wirklich mitfühlen kann, von Ji-hee einmal abgesehen, schadet "Norigae". Die Geschehnisse werden zu kühl transportiert
und zu lange köchelt daher auch die Geschichte auf Sparflamme.
Das Thema des Films sind die Gefälligkeiten, die koreanische Schauspielerinnen immer wieder bei diversen Trinkgelagen erweisen müssen. Wie Escort-Damen werden
sie vom Agenten oder Regisseur an hohe Beamte, Politiker, Banker etc. weitergegeben. Der Film hat sich dabei vom Selbstmord der Darstellerin Jang Ja-Yeon
inspirieren lassen. Kein Zweifel, wenn es endlich um das Schicksal der Darstellerin geht, kann der Film sehr mitnehmend sein, wofür auch ein paar der etwas
freizügigeren Sexszenen verantwortlich sind. Ji-hees Schicksal ist bemitleidenswert und der Gerichtsprozess zeigt einmal mehr die Korruptheit des koreanischen
Rechtssystems. Nur leider kann die Geschichte drum herum nicht überzeugen. Anstatt einen guten Ermittlungsthriller um den Plot zu weben, halten wir uns
häufig im Gerichtssaal auf oder folgen einem Reporter, dem es an Tiefe mangelt.
Gerichtsthriller können durchaus auch spannend sein, wie "Unbowed" oder "Silenced", wobei letzterer
nur im weitesten Sinne zu diesem Genre gezählt werden kann, eindeutig bewiesen haben. Doch der Reporter in "Norigae" folgt etwas unzusammenhängend kleinen
Hinweisen und manovriert die Geschichte eher unsicher in Richtung Auflösung. Ma Dong-seok ("The Five") kann seinem Charakter
leider nicht interessanter gestalten, als es das Drehbuch zulässt und so verlangt es einem die meiste Zeit schlichtweg nach einem Sympathieträger im Film.
Lee Seung-yeon, die sonst nur Nebenrollen in Filmen wie "Breathless" gespielt hat, bleibt aber besonders steif und hat sogar
ein paar alles andere als überzeugende Szenen vor Gericht.
Es bleibt also nur der Reporter, mit dem wir uns anfreunden müssen. Zumindest so lange, bis wir einen Einblick in Ji-hees letzte Tage bekommen.
Min Ji-hyeon liefert eine tolle Darstellung ab, sodass es schade ist, nicht mehr von ihr zu sehen zu bekommen. Die Rückblenden werden natürlich im Gerichtssaal
eingeleitet, bieten aber nicht wirklich Überraschungen. Im Endeffekt geht es auch darum, dass sich bestimmte Personen Vorwürfe machen müssen, die Hilferufe
Ji-hees nicht gehört zu haben und jeder geht anders mit dieser Last um. Die wahren Täter scheinen aber freizukommen, womit einmal mehr unterstrichen wird,
dass Geld und die richtigen Freunde in Südkorea völlige Narrenfreiheit erlauben. Nichts Neues, wie wir spätestens seit den bereits genannten Gerichtsfilmen
wissen, aber Empörung und Wut lässt es dennoch aufkommen.
Eine gewisse Naivität bei den Ermittlungen ist nicht zu leugnen und sie stört zuweilen sogar. "Norigae" hat weiterhin starke Probleme, seine Geschichte voranzubringen und verweilt zu lange im Gerichtssaal. Gerade zu Anfang muss man sicher außerdem in einem Dschungel aus verschiedenen Namen zurechtfinden, aber immerhin hier klären sich die Dinge doch schneller als angenommen. Gegen Ende wird "Norigae" äußerst hart, gerade mit seiner Stimmung, die er durch ein paar Sexszenen kreiert, und in diesen düsteren Momenten überzeugt der Thriller am meisten. Vor allem schafft es Regisseur Choi Seung-ho so, den Zuschauer auch endlich emotional genfangen zu nehmen. "Norigae" ist damit ein solider Thriller, nichtsdestotrotz bleibt der Eindruck, dass man bei der Geschichte die Verpflichtung gehabt hätte, mehr aus dem Stoff herauszuholen.