Story: Ein grausamer Doppelmord beschäftigt die Polizei von Tokyo. Der Mörder wird über eine TV-Sendung im gesamten Land gesucht. Da er
bei einem plastischen Chirurgen war, wird auch ein Phantombild ausgegeben, wie dieser heute aussehen könnte. Einer der Männer, auf die die Beschreibung
zutreffen könnte, ist Tashiro (Kenichi Matsuyama). Er arbeitet für Maki (Ken Watanabe) am Hafen und freundet sich mit dessen Tochter Aiko (Aoi Miyazaki) an,
die im Leben bereits einige falsche Entscheidungen getroffen hat. Die Beschreibung könnte weiterhin auf Naoto Onishi (Gou Ayano) zutreffen, ein schüchterner,
junger Mann, der in einem Schwulen-Etablissement mit Yuma (Satoshi Tsumabuki) Sex hat. Da Naoto keine Bleibe hat, bietet Yuma ihm an, bei ihm zu übernachten.
Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung. Derweil trifft Izumi (Suzu Hirose) auf einer kleinen Insel den Backpacker Tanaka (Mirai Moriyama), auf den
ebenfalls die Beschreibung des Mörders zutreffen könnte. Izumi freundet sich mit dem Mann an, der mal hier, mal dort arbeitet und insgesamt ein netter Kerl
zu sein scheint. Nur Tatsuya (Takara Sakumoto) kann ihn nicht leiden, weil er befürchtet, dass er ihm die Freundin wegnehmen könnte.
Kritik: Die Prämisse dieses Thriller-Dramas ist fesselnd. Drei nicht miteinander verknüpfte Geschichten drehen sich um die Lügen, die wir
anderen auftischen und das Vertrauen, das deshalb auf der Strecke bleibt. Jeder der drei rätselhaften Persönlichkeiten, die ihre Vergangenheit verbergen,
könnte daher der gesuchte Mörder sein. Allerdings sind sie nicht die einzigen, die vor anderen oder sich selbst etwas verheimlichen. Wenn am Ende alles gesagt
und getan ist, zeigt sich daher, dass "Rage" keinesfalls ein Krimi ist, sondern vielmehr ein Drama. Auch das langsame Tempo lässt daran keinen Zweifel.
Spannend ist der Film dennoch, gerade weil die Charaktere interessant geschrieben sind und die Frage nach der Identität des Mörders ansprechend in die drei
Geschichten gewoben ist. Daneben bekommt man darstellerisch einiges geboten.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Geschichte einen für sich gefangen nehmen kann, denn diese basiert auf einem Roman von Shuichi Yoshida. Regisseur
Lee Sang-il, der koreanische Wurzeln hat, hat bereits dessen Roman "Villain" erfolgreich verfilmt. Und auch diesmal ist Shuichis
Geschichte mit verschiedenen Motiven gespickt. Da wäre zum Beispiel Vertrauen, Wut, aber auch sexuelle Gewalt. Diese mündet bei Naoto und Yuma, letzterer
gespielt von Satoshi Tsumabuki ("For Love's Sake"), in einer Liebesbeziehung, wenn man so will, aber sie zerstört
Izumas Leben, porträtiert von Suzu Hirose ("Your Lie in April"). Der Film springt zwischen den einzelnen Geschichten
hin und her, das aber auf eine sehr leichtfüßige und ungezwungene Art. Oftmals bekommen Filme dieser Art sonst etwas Episodenhaftes. Das ist hier nicht
der Fall.
Tatsächlich erweist es sich aber anfangs als schwer, herauszufinden, wer nun eigentlich als unser Anker in der Geschichte dienen soll. Es dauert eine
Weile nach der Vorstellung der einzelnen Individuen, bis wir einen Bezugspunkt haben, was auch damit einhergeht, dass die Personen gleich mit ihrem
persönlichen Ballast in den Vordergrund gestellt werden. Die Ecken und Kanten der Protagonisten sorgen jedoch dafür, dass wir uns trotz der 140 Minuten
Laufzeit keinesfalls langweilen. Zu fesselnd ist es, hinter die Geheimnisse der Personen zu kommen, und Regisseur Lee bedient sich auch einiger Kniffe, um
uns so lange wie möglich auf die Folter zu spannen. Weiterhin schwebt stets die Möglichkeit im Raum, dass der wahre Killer sich plötzlich offenbaren könnte
und das Leben der anderen damit in Gefahr ist. Natürlich vergeht bis dahin aber einiges an Zeit, sonst würde der Film allzu früh seinen Hauptreiz
verlieren.
"Rage" ist hochkarätig besetzt. Während Kenichi Matsuyama (L aus "Death Note") leider eine etwas zu subtile Darstellung abgibt,
kann Ken Watanabe (ebenfalls in Lee Sang-ils "Unforgiven" zu sehen) in seiner Nebenrolle beeindruckende Tiefe zeigen. Ein Problem
ist aber, dass die meisten der Charaktere etwas distanziert erscheinen. Es wird daher schwierig, mit ihnen richtig warm zu werden. Am ehesten gelingt dies
Tanaka, gespielt von Mirai Moriyama ("Fish Story"). Das ist aber der Preis dafür, wenn man den Zuschauer darüber rätseln lassen
will, in welcher Geschichte sich der Mörder versteckt. Natürlich bleiben die anderen beiden Geschichten dennoch von Belang und sind überdies mit einem
unsichtbaren Band untereinander verknüpft. Eine Atmosphäre der Melancholie, ebenso wunderbar durch einen Soundtrack von Ryuichi Sakamoto getragen, dient
ebenfalls als alles verbindender Leim.
Das bringt uns leider zu einem Problem, welches das Publikum durchaus spalten mag. Gegen Ende wird jede der drei Geschichte extrem dramatisch. Eigenartigerweise hat mich das nicht so sehr gestört, wie ich das sonst erwarten würde. Der Grund dafür könnte sein, dass man doch gewisse Sehgewohnheiten asiatischer Produktionen übernommen hat. Andererseits verleiht das Drama dem Film aber auch mit einem Mal das Herz und die Seele, die man dann doch etwas vermisst hat. Das mag man aber auch ganz anders sehen. Zugegeben hätte ein wenig mehr Subtilität, die ansonsten "Rage" in der Tat auszeichnet, nicht geschadet. So oder so bleibt "Rage" aber ein gelungenes Drama mit einer spannenden Geschichte, die sich Zeit lässt, aber auch durch schöne Bilder (und Lens Flare) besticht. Man sollte nur keinen Krimi erwarten oder eine besonders clevere Auflösung zum Schluss.