Story: Myeong-eun (Shin Min-ah) hat schon lange nicht mehr ihre Familie besucht und lebt mittlerweile in Seoul, wo sie nach ihrem Studium
bei einer Firma angefangen hat zu arbeiten. Ihre Halbschwester Myeong-joo (Kong Hyo-jin) arbeitet dagegen auf einem Fischmarkt und ist alleinerziehende Mutter.
Myeong-eun kennt ihren Vater nicht und ist sauer auf ihre Schwester, weil diese die gleichen Fehler wie ihre Mutter zu begehen scheint. Die Mutter stirbt
allerdings und Myeong-eun ist gezwungen nach langer Zeit wieder nach Hause zu kommen. Sie fragt ihre Tante (Kim Sang-hyeon), die bereits seit ihrer Kindheit
Teil der Familie ist, ob sie ein paar Tage auf Myeong-joos Tochter aufpassen kann. Sie möchte sich nämlich mit ihrer Schwester auf die Suche
nach ihrem Vater begeben, nachdem die Beerdigung der Mutter abgehalten wurde. Ihre Schwester ist wenig begeistert, aber sie kommt mit. Zwischen den Schwestern
kommt es auf der Reise immer wieder zu Streits, die vor allem mit Myeong-euns Problemen mit der unbeschwerten Art der Schwester einhergehen. Mit der
Zeit stellt sich dann außerdem heraus, dass Myeong-joo nicht alles erzählt hat, was sie über den Vater ihrer Halbschwester weiß.
Kritik: Es ist schwierig, allzu streng mit Indie-Dramen zu sein, denn diese versuchen in ihrem Rahmen, also mit geringem Budget, tiefgehende
Geschichten um Individuen zu kreieren, die emotionale Wunden mit sich herumtragen oder ein traumatisches Erlebnis verarbeiten müssen. Doch ist man ehrlich,
können diese Werke auch oft die Geduld des Zuschauers auf die Probe stellen. Ein langsames Tempo ist glücklicherweise aber nicht das Problem von "Sisters on
the Road", denn der Film ist mit seinen gerade mal 90 Minuten mehr oder weniger auf den Punkt gebracht und die Geschichte geht stets voran. Natürlich darf man
dennoch kein besonders hohes Tempo erwarten, letztlich handelt es sich hier durchaus um ein charakterzentriertes Drama, aber der Film ist doch wesentlich
angenehmer in dieser Hinsicht als viele ähnliche Werke, die mit minimalistischer Regie eine Illusion von hohem Anspruch erzeugen wollen.
Der englische Titel lässt einen Road-Movie vermuten, doch im strengen Sinne handelt es sich nicht um einen solchen Streifen. Dennoch steht die gemeinsame
Reise zweier Schwestern durchaus im Zentrum des Geschehens und die räumliche Reise der beiden stellt auch eine Reise ins Innere dar, bei der sich mit
familiären Problemen auseinandergesetzt werden muss. Myeong-eun hat Probleme mit ihrer Familie und will am liebsten so viel Abstand wie möglich zu ihr halten.
Besonders für ihre Schwester hat sie nur Verachtung übrig. Sie hält sie für dumm, alkoholsüchtig und verantwortungslos. Tatsächlich ist Myeong-joo aber
lediglich etwas unreif. Liebgewonnen hat man sie aber nach nur kurzer Zeit. Stattdessen ist es ihre Schwester Myeong-eun, die arrogant, oberflächlich und
materiell eingestellt scheint. Die Rollen sind also zunächst klar verteilt, aber selbstverständlich ist nicht alles so leicht zu kategorisieren, wie es auf
den ersten Blick scheint.
Shin Min-ah ("The Naked Kitchen", "Sad Movie") spielt die sehr kühl wirkende, aber auch
verletzliche Myeong-eun, die langsam ihre Gründe für die Animosität gegenüber ihrer Schwester offenbart. Die Suche nach ihrem Vater zeigt, dass sie stets das
Gefühl hatte, verlassen und nicht Teil der Familie zu sein, obwohl ihr sowohl die Mutter als auch die Schwester und Tante ein sehr herzliches Zuhause
geboten haben. Nicht nur der Umstand, dass sie dies nicht zu schätzen weiß, macht sie anfangs unsympathisch, sondern ihre grundlos erscheinenden Nörgeleien
an ihrer Schwester ebenso. Myeong-joo wird von Kong Hyo-jin ("Love Fiction", "Crush and Blush")
porträtiert und die lebhafte Ader der Frau macht sie schnell äußerst liebenswert. Die Schwestern bekommen darüber hinaus im Laufe des Films weitere Facetten
spendiert.
Die Geschichte entfaltet sich auch über einige Flashbacks, in denen die Vergangenheit aufgearbeitet und sich dem Familiengeheimnis genähert wird. Denn am
Ende gibt es eine unerwartete Wende, die doch recht abgedreht ist und ein großes Risiko darstellt. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Enthüllung
nicht vollkommen lächerlich wirkt, aber dank der gekonnten Regie von Boo Ji-young bleibt alles in einem sehr persönlichen und glaubwürdigen Rahmen. Ebenfalls
positiv herausgestellt werden muss, dass das Drama nicht versucht, auf billigste Weise zu Tränen zu rühren. Myeong-joo sagt im Film voraus, dass ihre Schwester
nicht erwarten soll, am Ende mit Tränen in den Augen in den Armen ihres Vaters zu liegen, und ohne zu viel zu verraten, darf man behaupten, dass "Sisters on
the Road" hier nicht zu viel verspricht. Das ist umso erstaunlicher, als dass Boo Ji-young nach ihrem Debütwerk mit "Cart" durchaus
einen Film abliefern sollte, der etwas zu klischeebeladen und emotional ausfiel.
Es mag zwar ab und zu verwackelte Kameraeinstellungen geben, aber im Grunde zeichnet "Sisters on the Road" eine Wärme aus, die Indie-Dramen sonst nicht zueigen ist. Gleichzeitig werden unnötige Tränen vermieden. Alles wirkt sehr glaubwürdig und kann dadurch auf unaufdringliche Weise nahegehen. Sicherlich ist das nicht nur der gekonnten Regie, sondern auch den beiden Darstellerinnen zu verdanken. Die Reise der beiden Geschwister stellt nicht nur eine Unternehmung dar, bei der sich die zwei miteinander auseinandersetzen müssen, sondern auch eine in die Gefühle zueinander und die Vergangenheit, in der alte Leichen aus dem Keller geholt werden. "Sisters on the Road" überrascht mit seiner relativ knappen Laufzeit und einem guten Tempo und beweist außerdem, dass Indie-Dramen nicht immer völlig unterkühlt und beinahe ausschließlich auf ein Art-House-Publikum zugeschnitten sein müssen.