Story: Es ist das Jahr 1925 und die Japaner herrschen über Korea. Cheon Man-deok (Choi Min-sik) ist ein Jäger und lebt auf dem Jirisan.
Der Berg wird von den Koreaner verehrt, genauso wie ein gigantischer Tiger, der dort lebt und von einigen als Gottheit des Berges angesehen wird. Man-deok
hat seitdem er seine Frau auf der Jagd verloren hat, das Jagen aufgegeben und sammelt nun Kräuter, die er in der Stadt verkauft. Sein Sohn Seok (Seong Yoo-bin)
ist mit diesem Leben nicht zufrieden und würde sich lieber den Jägern rund um Goo-gyeong (Jeong Man-sik) anschließen, die von der japanischen Regierung
bezahlt werden und somit ein weitaus besseres Leben führen. Governor Maezono (Ren Osugi) will alle Tiger und Wölfe auf dem Jirisan ausrotten, doch dem
sagenumwobenen Tiger kann er nicht Herr werden. Etliche Jäger sind bei dem Versuch, ihn zu töten, zerrissen worden. Nun hat man aber das Weibchen der Tigers
und seine Kinder erlegen können und hofft mit deren Leiche den Tiger in eine Falle locken zu können. Der Tiger erweist sich aber als äußerst gerissen und
ist überdies durch den Tod seiner Familie viel aggressiver geworden. Niemand ist ihm gewachsen. Nur Man-deok könnte ihn erlegen, doch weigert er sich, zumal
er eine besondere Verbindung zu dem Tier hat.
Kritik: Mein Interesse war doch etwas niedrig angesiedelt bei einem Film, der sich um einen Jäger dreht, welcher offenbar ganz in Manier eines
Ahabs zwar nicht nach Moby Dick jagt, aber dafür nach einem gigantischen Tiger. Die 140 Minuten Laufzeit sind ebenso etwas abschreckend. Doch "The Tiger" ist so
viel mehr. Der Umstand, dass der Tiger tatsächlich neben Choi Min-sik den Hauptcharakter der Geschichte darstellt und das Ganze sogar funktioniert, sollte
einiges über den Qualitätsgehalt dieses Streifens sagen. Beeindruckend neben der zuweilen philosophischen Tiefe und dem besonderen Verhältnis der beiden
Protagonisten zueinander ist auch, dass man den letzten Tiger Koreas als den Geist des Landes ansehen kann, der sich von den kolonisierenden Japanern nicht
einschüchtern lässt. Dankenswerterweise fehlt es dem Film aber an einem nationalistischen Ton, der diese Allegorie subtil und damit umso stärker wirken
lässt.
Es ist wahrlich beeindruckend wie realitätsgetreu der Tiger am Computer animiert wurde. Es ist vor allem nicht so, dass wir ihn nur ab und zu auf dem Bildschirm
sehen. Andauernd sehen wir ihn über den Bildschirm springen oder huschen und niemals wirkt dies billig. Nicht nur das, sondern es gelingt Regisseur
Park Hoon-jeong ("New World") sogar, dem Tiger eine Seele zu verleihen. Genauso wie Man-deok hat auch der Tiger eine
Hintergrundgeschichte und es zeigt sich in einer der vielen Rückblenden, dass sich die beiden Jäger schon einmal begegnet sind. Und auch wenn beide für den
Tod eines Familienmitglieds des anderen verantwortlich sind, ist es nicht der Hass aufeinander, der die beiden zusammenschweißt, sondern gegenseitiger
Respekt und ein Moral- und Ehrenkodex, der den unter den Japanern arbeitenden Jägern fremdgeworden ist.
Dieses Verhältnis zwischen den beiden Protagonisten macht "The Tiger" auch so außergewöhnlich. Normalerweise würde eine platte Rachegeschichte ein unsichtbares
Band zwischen den beiden Jägern formen. Doch hier können wir uns tatsächlich auch mit dem Tiger identifizieren. Trotz des Umstands, dass er seine Gegner
regelrecht in der Luft zerfetzt, ist er kein unnötig mordendes Monster, das ausgeschaltet werden muss, sondern lediglich ein Tier, das zu überleben versucht.
Zugegeben, die Art, wie es eine ganze Armee an Jägern ausschalten kann, lässt einen sogar daran glauben, dass es sich bei dem Wesen vielleicht doch sogar
um ein gottgleiches Wesen handelt, aber die Geschichte lässt keinerlei Zweifel daran, dass der Tiger vielmehr eine Naturgewalt darstellt. Und da es völlig
unnötig ist, das arme Tier zu jagen, können wir auch kaum Mitleid mit den Jägern haben, die in Reihen fallen.
Man-deok ist dagegen ein Jäger der alten Schule. Er nimmt sich, was der Berg ihm darbietet, auch wenn er darum kämpfen muss. Aber nicht mehr. Genauso wie der
Tiger ist er damit der letzte seiner Art. Man-deok hat aber auch eine tragische Hintergrundgeschichte, die uns zeigt, warum er zum Teil ein gebrochener Mann
ist. Choi Min-sik ("The Admiral: Roaring Currents", "I Saw the Devil")
schafft es wie gewohnt seiner Figur einige zusätzliche Ebenen zu verleihen, aber auch das Drehbuch versorgt ihn zum Glück mit einigen Facetten. Auch die
anderen Charaktere sind interessant ausdifferenziert. Denn von dem japanischen General einmal abgesehen, dessen fanatische Jagd beinahe groteske Züge annimmt,
ist es nicht leicht, einen Bösewicht auszumachen. Am ehesten noch der von Jeong Man-sik ("A Hard Day") dargestellte Jäger,
aber auch er kann zumindest an einer Stelle Mitgefühl erregen.
Die Geschichte bietet mit ihren Rückblenden immer wieder genügen Material, dass die Dinge vorangehen und keine Langeweile aufkommt. Tatsächlich werden aber einige Szenen etwas zu sehr in die Länge gezogen, sodass die lange Laufzeit nicht unbedingt gerechtfertigt ist. Die Bilder sind dagegen über jeden Zweifel erhaben. Der Berg und seine Natur werden beinahe zu einem eigenständigen Protagonisten und die wundervollen Schneelandschaften mit ihren manchmal blutroten Punkten, nachdem der Tiger gewütet hat, sind eine Augenweide. Ein schöner Soundtrack untermalt das Geschehen gekonnt und auch wenn man sagen kann, dass ein paar Szenen vielleicht etwas zu rührselig ausgefallen sind, funktionieren sie doch einwandfrei. Gerade das Ende kann emotional mitnehmen und bezeugt einmal mehr die wunderbare Leistung von "The Tiger" uns eine epische Geschichte zu präsentieren, dessen vermeintliche Antagonisten eigentlich Brüder im Geiste sind.