Story: Jeong Soo-in (Jeon So-nee) arbeitet in einem Supermarkt und scheint vom Pech verfolgt. Als Kind wurde sie von ihrem Vater misshandelt, konnte jedoch Hilfe von der Polizei bekommen. Seitdem schaut Cheol-min (Kwon Hae-hyo), einer der Detectives aus ihrer Kindheit, immer wieder nach ihr. Eines Tages wird sie allerdings auf dem Nachhauseweg von einem Verrückten erstochen. Als sie im Sterben liegt, pflanzt sich ein außerirdischer Parasit in sie ein und rettet ihr das Leben. Seit Kurzem gibt es im Land immer wieder Fälle von Menschen, die von jenen Parasiten übernommen werden. Sie verlieren vollständig ihr früheres Selbst und sind nur darauf bedacht, im Geheimen Menschen in eine Falle zu locken, um sie anschließend als Nahrung aufzubewahren. Choi Joon-kyeong (Lee Jung-hyun) leitet aus diesem Grund bereits eine Task-Force, die jene Parasytes jagt und ausschaltet. Auch Cheol-min und seine Kollegen werden in die Existenz jener Wesen eingeweiht. Der Detective vermutet, dass Soo-in eines jener Wesen sein könnte, da sie den eigentlich tödlichen Überfall nicht nur überlebt, sondern nicht mal eine Verletzung davongetragen hat. Er kann aber letztlich ausschließen, dass sie ein Parasyte ist. Soo-in ist tatsächlich eine Art Symbiose mit dem Fremdorganismus eingegangen, was die Folge dessen war, dass sie im Sterben lag, als der Parasit ihren Körper übernommen hat. Sie weiß nicht, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen soll, da wird sie von anderen Parasytes angesprochen, die sich momentan organisieren. Diese wissen nicht, dass Soo-in ihre Menschlichkeit bewahrt hat. Sollten sie das herausfinden, könnte das sehr gefährlich für sie werden. Durch Zufall trifft sie auf den Gangster Kang-woo (Koo Kyo-hwan), der auf der Flucht ist, da er von seiner Gang verraten wurde. Mit seiner Hilfe versucht sie, den Parasytes aus dem Weg zu gehen, doch sie ist bereits zur Zielscheibe geworden.
Kritik: Ich war ziemlich überrascht, auf Netflix plötzlich eine Serie im "Parasyte"-Universum zu sehen, die zudem aus Korea kommt. Die auf dem Manga "Kiseiju" von Hitoshi Iwaaki basierende Geschichte wurde vor gut zehn Jahren bereits in Japan in Form eines Zweiteilers verfilmt. Gewisse Paralellen zum "ersten Teil" lassen sich in der Serie zwar erkennen, so ist auch diesmal der Held/die Heldin eine schüchterne Persönlichkeit, die plötzlich außergewöhnliche Fähigkeiten bekommt, aber im Großen und Ganzen geht die Serie ihren ganz eigenen Weg. So gibt es hier beispielsweise keinen Humor und es steht mehr auf dem Spiel, da augenscheinlich jeder das Zeitliche segnen kann. Insgesamt erweist sich die Serie als ungewöhnlich unterhaltsam. Mit ihren gerade einmal sechs Episoden erzählt sie eine kompakte Geschichte und verzichtet auf Nebengeschichten, die alles unnötig aufblähen würden. Damit ist das Tempo hervorragend und die Action ebenfalls gut über die Episoden verteilt. Besonderes Lob verdienen dabei die Spezialeffekte. Auch wenn man sich daran gewöhnen muss, dass durch den mangahaften Stil der Parasiten und dem blutigen Body-Horror gemäß eines David Cronenberg hier eine außergewöhnliche Mischung zustande kommt.
Jeon So-nee ("Jo Pil-ho - The Dawning Rage") wirkt in ihrer Rolle oft etwas unscheinbar und Soo-in etwas planlos, aber der Kontrast zu ihrem Parasiten, der am Tag nur 10-15 Minuten an die Oberfläche kommen kann, wird von ihr sehr glaubhaft dargestellt. Soo-in bleibt auch trotz ihrer besonderen Fähigkeiten sie selbst und entwickelt sich nicht einfach zur Superheldin, was eine gute Entscheidung war. Sie ist aber auch nicht das weinerliche Mädchen, das man erwarten würde, sondern wächst im Laufe der Geschichte. Dennoch trägt sie das Trauma aus ihrer Kindheit weiter mit sich und sucht verzweifelt nach einem Weg, sich mit ihrer neuen Situation zu arrangieren. Für eine Serie, die einen großen Fokus auf die Action legt, ist es zuweilen erstaunlich, wie viel Drama und Ausgestaltung der Persönlichkeiten Einzug gefunden hat. Leider arbeitet die väterliche Beziehung zwischen ihr und dem von Kwon Hae-hyo ("Peninsula") dargestellten Detective aber nur an der Oberfläche. Hier wäre mehr wünschenswert gewesen. Hin und wieder bekommt man nämlich den Eindruck, als sollten wir uns mehr für die Beziehung interessieren, als wir es tatsächlich tun. Auch hinsichtlich einiger Entwicklungen hat man durch dieses Versäumnis Potential verschenkt.
Unglücklicherweise ebenfalls etwas zu flach geraten, ist der Gangster, der unsere Heldin unterstützt. Koo Kyo-hwan ("Kill Boksoon") porträtiert das Abziehbild eines eigentlich netten Kerls, der im Leben einfach ein paar Mal falsch abgebogen ist. Bei seiner Rolle hat man vergessen, ihm ein paar ordentliche Szenen zu geben, aber Koo schafft es dennoch, dass uns der Ex-Gangster nicht ganz egal ist. Die Leiterin der taffen Spezialeinheit "The Grey" wiederum mag zwar eine unnachgiebige Parasiten-Jägerin sein, die durch ein Erlebnis in der Vergangenheit jegliche Farbe und Menschlichkeit verloren hat, aber letztlich führt das nur zu einer klischeehaften Figur und Darstellerin Lee Jung-hyun ("Decision to Leave") kann erst gegen Ende ein wenig mehr aus ihrer Rolle herausholen. Trotz der Kritik an den Charakteren und der mangelnden Tiefe ihrer Hintergrundgeschichten können einen die dramatischen Momente zumeist jedoch überraschend mitnehmen. Und die etwas ruhigeren Momente gibt es auch immer dann, wenn man von der Action ein wenig Pause braucht. "Parasyte - The Grey" hat damit seine größte Stärke beim richtigen Rhythmus und Tempo.
Verwundern sollte das aber nicht, denn Regisseur der Serie ist Yeon Sang-ho, der nicht nur mit "Hellbound" bereits eine ziemlich mitreißende und übernatürliche Serie für Netflix auf die Beine gestellt hat, sondern der sich natürlich auch für "Train to Busan" verantwortlich zeichnete. Das sieht man auch einfach: Die Bilder ziehen einen sofort ins Geschehen und wirken so poliert und mit sicherer Hand auf den Bildschirm gebracht, dass man glaubt, einen teuer produzierten Film zu sehen. Gleiches gilt auch für die Spezialeffekte. Diese sind meistens wirklich herausragend, und dass bei der schieren Menge an Köpfen, die sich in tödliche Waffen aufspalten, ein so hohes Niveau an CGI gehalten werden konnte, ist erstaunlich. Wäre das nicht gelungen und hätte bei der Gestaltung der Parasiten die Fantasie gefehlt, hätten die Kämpfe leicht ziemlich lächerlich wirken können. Denn die Schauspieler selbst müssen oft nur wie bei einem Heavy-Metal-Konzert ohne Unterlass headbangen. Daneben bekommt die Serie dadurch Horror-Charakter, dass es auch recht blutig werden kann. Sets und Einfallsreichtum sorgen jedenfalls dafür, dass die Action jederzeit Spaß macht.
Zwar gibt es einige Mängel beim Drehbuch, so unternimmt Soo-in beispielsweise in gefährlichen Momenten nicht einmal den Versuch, so emotionslos wie ein Alien aufzutreten, oder Kang-woo durchschaut schlicht durch eine Eingebung den großen Plan der Parasiten, aber daneben gibt es auch ein paar erfrischende Aspekte. So sind die Menschen nicht völlig machtlos gegen die Parasiten, eben weil sie sich organisieren können, etwas, was die Parasiten als großen Vorteil durchschauen und ebenfalls anstreben, um mächtiger zu werden. Allianzen werden geschmiedet, Gut und Böse verschwimmen manchmal zu einem Grauton und die Suche der Parasiten nach einer Identität abseits ihres Ziels schlicht zu überleben, wirkt faszinierend. In dieser Richtung hätte die Serie aber noch mutiger sein müssen. Am Ende gibt es für Fans des Originals noch ein kleines Bonbon und man darf gespannt sein, ob es eine zweite Staffel geben wird. Die Weichen dafür sind jedenfalls schon einmal gestellt. "Parasyte - The Grey" ist unterhaltsame (Horror-)Action, die stets weiß, wie sie den Zuschauer bei Laune halten kann. Man kann zwar bemängeln, dass speziell hinsichtlich der Charaktere und Tiefe der angerissenen Themen weitaus mehr möglich gewesen wäre, aber das ändert nichts am hohen Unterhaltungsgrad der Serie.