Story: Se-jin (Jeong Yu-mi) kommt frisch von der Uni und zieht vom Land nach Seoul, wo sie in einer kleinen Firma einen Job bekommt. Leider
geht die Firma schon nach ein paar Monaten pleite und Se-jin steht ohne Job da. Sie zieht in ein kleines Zimmer und sucht verzweifelt nach einem Job, doch
da sie an einer unbedeutenden Uni außerhalb Seouls studiert hat und kaum Arbeitserfahrung hat, bekommt sie auf ihre Bewerbungen stets Absagen. Zu allem
Unglück hat sie auch noch einen Gangster als Nachbarn. Dong-cheol (Park Joong-hoon) schlägt sich irgendwie durch das Leben und hofft von seinem Boss bald
eine Bar zu bekommen, da er für diesen einige Jahre ins Gefängnis gegangen ist. Allerdings muss Dong-cheol immer noch unbedeutende Jobs erledigen
und gerät dabei auch noch an einen Ex-Cop, der für seinen Boss zum Problem werden konnte. Seine Bekanntschaft mit Se-jin zeigt jedoch,
dass er ein ganz netter Kerl sein kann, auch wenn ihn das Leben als Gangster eindeutig geprägt hat. So versucht er sogar Se-jin dabei zu helfen, einen neuen
Job zu bekommen. Eine ungewöhnliche Beziehung entwickelt sich zwischen den beiden.
Kritik: "My Dear Desperado" ist der Grund, warum ich mir trotz der 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit, wieder nur eine unbedeutende
kitsch- und dramabeladene Rom-Com zu sehen zu bekommen, dem koreanischen Romantik-Genre noch nicht den Rücken gekehrt habe. Das Poster und auch der Titel
suggerieren einen vergessenswerten Film, doch versteckt sich hier tatsächlich ein erwachsener und warmer Film, der an sich überhaupt kein wirklicher
Romantikstreifen ist. Die Atmosphäre des Films ist sofort gefangennehmend und die beiden Protagonisten sind nicht das typische ungleiche Paar, sondern sind
in ihren Lebensumständen ausgestaltet genug, dass man sich für sie als Charaktere interessieren kann. Genau aus diesem Grund entwickelt sich die unweigerlich
romantische Beziehung ganz natürlich und fühlt sich gar nicht als solche an.
Zunächst einmal muss man sich darüber wundern, dass der Film von 2010 ist. Denn technisch und auch hinsichtlich seiner Atmosphäre erinnert er an Filme wie
"Failan", "Maundy Thursday" oder "Sunflower". Filme also, die eine
gelungene und vor allen Dingen gesunde Mischung aus traditionellem Drama, das zu Tränen rührt, und subtiler Charakterexploration darstellten und damit
unweigerlich bewegend waren, ohne kitschig zu wirken. In gewisser Weise stellt "My Dear Desperado" also eine Zeitreise dar und Nostalgie-Gefühle kommen
auf. Erinnerungen daran, als das koreanische Kino an seinem Höhepunkt stand. Dementsprechend kann man sich auch in den Film fallen lassen, ohne
befürchten zu müssen, dass am Ende alles im melodramatischen Unsinn endet.
Das Gelungene an der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten ist eigentlich, dass die sehr unterschiedlichen Lebenswelten der beiden nicht karikierend
nebeneinander gestellt werden. Und dennoch geht es genau um das in dem Drama: das Leben der beiden Personen und nicht eine forciert dargebrachte
Liebesgeschichte. Vielleicht werden die beiden letztlich nur Freunde oder bleiben entfernte Bekannte. Das ist zunächst gar nicht so wichtig, da die beiden
auf jeden Fall im Moment füreinander eine wichtige Stütze im Leben darstellen. Die Verlagerung der Geschichte auf die Lebensumstände der Protagonisten, um
die sich dann die Liebesgeschichte strickt, anstatt wie sonst umgekehrt, verleiht dem Drama Authentizität und Wärme, die einen mitnimmt und bewegen
kann.
Die implementierte Gangstergeschichte bietet zwar nichts außergewöhnlich Neues, weiß aber Klischees zu vermeiden, indem sie sich stark um Dong-cheol dreht.
Ein wichtiger Faktor, warum der Film so gut funktioniert, sind ebenso die Darsteller. Park Joong-hoon ("Nowhere to Hide",
"Les Formidables") hat nicht das typische Gesicht für eine Romantikgeschichte, was dem Film noch mehr Glaubwürdigkeit
verleiht. Außerdem ist er ein großartiger Darsteller, der hier ein paar sehr intensive Szenen kreiert. Jeong Yu-mi ("Oki's Movie",
"Silenced") steht ihm aber in nichts nach, was nicht verwundern sollte, da sie doch fast schon zur Stammbesetzung jedes Hong
Sang-soo Films gehört. Zusammen schaffen die beiden nicht nur plastische Charaktere, sondern haben auch eine besondere Chemie auf dem Bildschirm.
Es ist die ausgewogene Mischung, die "My Dear Desperado" punkten lässt, wo ähnliche Filme versagen. Es gibt Drama und Humor, aber niemals wird in ein Extrem gewechselt. Das Drehbuch liefert eine subtile Geschichte, die aber auch ein paar Wendungen bereit hält. Am Ende geht es um die Prüfungen, die uns das Leben auferlegt, und die Menschen, die uns in schweren Zeiten unterstützen. Dong-cheol ist natürlich eigentlich ein guter Kerl, hat sich aber im Leben festgefahren, bis er eine neue Bestimmung findet. Verwoben sind die einzelnen Momente so gekonnt, dass Unterhaltung und leichter Tiefgang zugleich gegeben sind. Viel hätte also nicht gefehlt, um "My Dear Desperado" noch besser abschneiden zu lassen. Doch ein paar vorhersehbare Momente, speziell in der Gangstergeschichte, gibt es dann doch. Regisseur Kim Kwang-sik, der schon Assistenz-Regisseur bei "Oasis" war, zeigt in jedem Fall, wie ein schönes Romantik-Drama auszusehen hat.